Liebe Petra,

„Abwesenheit von Produktivität“ – ja, das trifft es wohl. Gerade kürzlich habe ich mir genau das gewünscht. Ich bin nämlich demnächst mit ein paar Freundinnen verabredet, und normalerweise machen wir etwas Kreatives miteinander – hat eigentlich immer mit Schreiben zu tun. Doch ich habe vorgeschlagen, einfach nur ins Museum zu gehen. Die Vorstellung in meiner Freizeit etwas Kreatives produzieren zu „müssen“, fand ich plötzlich zu anstrengend. Mal schauen ob das Museum dann auch noch offen hat, jetzt wird doch auch hier in der Schweiz die Schließung von Museen zumindest diskutiert.

Und nein, abergläubisch bin ich nicht, obwohl – einen Glücksbringer hatte ich bestimmt auch schonmal irgendwann dabei. Ich glaube durchaus an den symbolischen Wert von Dingen, und dass das „was mit einem macht“, wie man so schön sagt. Auch Rituale können dabei helfen, symbolische Ankerpunkte zu setzen. Doch ich will da gerne selbst die Kontrolle drüber behalten. (Gar nicht so einfach, denn auch Rituale haben schließlich das Potenzial, sich zur Macke zu entwickeln). Ach ja, an Astrologie glaube ich übrigens auch nicht. Finde das doch sehr vermessen, anzunehmen, dass sich das Universum irgendwie für uns armselige Menschenkinder interessiert.

Apropos, was für ein Sternzeichen bist du eigentlich?

Susanne

Liebe Susanne,

gute Frage, ob es noch Langeweile gibt. Nicht nur weil man immer gleich zum Handy greift und niedliche Hundebabys oder das dreiundzwanzigste Update des Tages zur US-Präsidentschaftswahl anschaut … Man hat ja auch bei der kleinsten Untätigkeit gleich den Gedanken, dass man faul ist und prokrastiniert. Dabei finde ich, dass Autorinnen Langeweile geradezu brauchen – oder vielleicht eine Abwesenheit von Produktivität –, um auf neue Ideen zu kommen und Geschichten weiterzuspinnen. Oder was meinst du?

Apropos Präsidentschaftswahl. Wir haben für diesen Freitag ja eine Folge in Vorbereitung, in der wir unseren Zuhörerinnen die erste Präsidentschaftskandidatin der USA vorstellen. Und das war nicht Hillary Clinton!

Hoffentlich geht mit unserer Aufnahme alles gut, denn es ist Freitag der 13.!

Bist du abergläubisch?

Viele Grüße

Petra

Danke für die Glückwünsche zum Erscheinen des ebooks der Madame Clicquot – und es ist zu schade, dass wir nur virtuell anstoßen können. Ja, es ist noch Champagner da, weil mein lieber Mann für Vorrat gesorgt hat. Beim Corona-Winter, der uns bevorsteht, wird aus dem Feiern in einer größeren Gruppe nur wohl leider nichts, sodass wir vermutlich nach und nach den Champagner ganz entre nous leeren werden.

Du hast recht, ich komme auch nicht hinterher mit dem Lesen. Nicht im entferntesten – weswegen ich ja schon vor Jahren dazu übergegangen bin, viele Hörbücher zu hören. So bin ich zumindest einigermaßen up-to-date geblieben. Und ich habe immerhin tatsächlich schon ein Hörbuch 2x gehört – und das war (ausgerechnet) Die Buddenbrooks. Es war mein erstes Hörbuch überhaupt gewesen, ich hatte es damals noch auf dem Weg zur Arbeit und zurück als CD im Auto gehört, jeden Tag eine Stunde. Als ich einen Roman schrieb, der im 19. Jahrhundert spielt, dachte ich, es sei eine gute Idee, das aufzufrischen. Es hat mich auch beim zweiten Mal nicht enttäuscht, was auch am Vorleser Gert Westphal liegt.

Doch die Hörbücher haben ja nun durch die Podcasts auch wieder Konkurrenz bekommen.Dazu eine Frage: Wann hast du dich das letzte Mal gelangweilt? Gibt es das noch – oder ist Langeweile abgeschafft?

Beste Grüße vom See

Susanne

Liebe Susanne,

nun ist der Tag schon fast vorbei, aber ich muss dir noch schnell zur Veröffentlichung deiner Madame Clicquot und das Glück der Champagne (in E-Book-Form) gratulieren! Ich hoffe, ihr habt mit einem orangenen Champagner angestoßen – und ich hoffe, ihr habt noch eine zweite Flasche da, wenn in zwei Wochen die Taschenbuchversion herauskommt.

Du hast gefragt, ob ich heute anders lese als früher. Ja, absolut. Als Kind habe ich einige Bücher mehrfach gelesen, weil ich sie so mochte, aber auch, weil mir meine Eltern gar nicht so viele hätten schenken können, wie ich lesen wollte, und auch die Stadtbücherei in unserer Kleinstadt nicht ständig etwas Neues hatte. Ich weiß aber noch ganz genau, wie ich zum ersten Mal in die Erwachsenenabteilung geschlichen bin … Heute habe ich das Gefühl, fürs Mehrfachlesen gar keine Zeit zu haben, weil es soooo viele Romane gibt und das verdammte Leben einfach nicht lang genug ist.

Und dann gibt es natürlich noch einen Unterschied zwischen den Büchern, die ich nur zum Genuss oder zur Inspiration lese, und denen, die der Recherche dienen, ob für einen neuen eigenen Roman oder aber natürlich für unseren Podcast. Da dürfen nämlich Klebezettel, Bleistift und Notizbuch nicht fehlen. Apropos, ich werde mich gleich mal wieder einer neuen, interessanten Frau widmen …

Wir hören uns!

Petra

Liebe Petra,

die Backfischliteratur habe ich tatsächlich gelesen, auch den Trotzkopf, aber mein Liebling war die Autorin Berte Bratt. Da musste ich jetzt direkt mal googeln, ob ich mich richtig erinnere, aber ja, das war eine schwedische Autorin, die in den 50er bis 80er Jahren publiziert hat. Die Romane erschienen als Schneiderbücher, auch so ein Wort, das mich direkt in meine Lesekindheit katapultiert. Toll fand ich auch immer Enid Blyton – am Sonntagmorgen bis ultimo im Bett liegen bleiben und ein 5-Freunde-Buch lesen, das war Leseglück.

Meine Kindheit war sehr schön, aber auch wenig spektakulär. Im Rahmen eines Seminars habe ich mal eine Art Kurzgeschichte verfasst, das Thema nannte sich „Das Haus meiner Kindheit“ – es hat Spaß gemacht und mir fiel einiges dazu ein, trotzdem wäre es ein langweiliger Roman, fürchte ich.

Liest du heute anders als früher? Ich freue mich immer, wenn ich einen Roman entdecke, in den ich so abtauchen kann, wie ich es als Kind getan habe.

Viele Grüße vom Zürisee

Susanne

Liebe Susanne,

deine Eltern waren Jugendherbergseltern!? Das allein hört sich ja schon nach einer Kinderbuchkindheit an – Mädcheninternate, Kinderheime, Jugendherberge, klingt alles nach dieser Backfischliteratur von früher. Meine Mutter hat mir ihren Trotzkopf vererbt, und auch vom Nesthäkchen habe ich noch einen Band, von Hanni und Nanni ganz zu schweigen. Hast du so was früher auch gelesen?

Und wichtiger noch: Wirst du über deine Kindheit auch mal ein Buch schreiben? 🙂

Viele Grüße

Petra

Liebe Petra,

das klingt nach einer sehr glücklichen Kindheit! Die hatte ich auch – großes Haus (meine Eltern waren Jugendherbergseltern), viel Platz, auch im Winter, weil dann weniger Gäste da waren und wir den Tagesraum oft für uns hatten, drei Geschwister und immer jemanden zum Spielen.

Wir sind oft im Hof Roller, Fahrrad und Kettcar gefahren. Ich weiß noch, wie ich mir mal den nackten großen Zeh ganz doof in der Kette eingeklemmt habe, hat heftig geblutet! Und dann habe ich mir beim Rollschuhlaufen das Schienbein gebrochen. Das waren noch so Rollschuhe zum Anschnallen (ja, so alt bin ich schon!) – und ein Riemen ist gerissen. An dem Abend sollte es bei uns irgendetwas besonderes zu essen geben, Steaks oder so, das war ungewöhnlich, da wir sonst nie extra für die Familie was gekocht haben. Und als ich aus dem Krankenhaus mit meinem Gips wieder nach Hause kam, (wo ich fies lange bleiben musste, zehn Tage oder so), war ich enttäuscht, dass die Familie alles ohne mich verspeist hat. Ich war halt immer schon gierig.

Komisch, an was man sich so erinnert! Zu Teppichböden würde mir auch eine Menge einfallen. Vielleicht beim nächsten Mal. Muss jetzt kochen.

Hungrige Grüße

Susanne

Liebe Susanne,

ich wohne in einem Haus aus den 1950ern – noch mit Originalfenstern, bei denen man erst einen Hebel umlegen muss, je nachdem, ob man sie nur kippen oder komplett öffnen will. Für das berühmte deutsche Durchlüften.

Als ich klein war, haben wir ein paar Jahre in einer winzigen Siedlung mit sechs oder sieben Häusern gewohnt, inklusive einer Hühnerzucht und einem fiesen Hund, der uns Kindern gern in die Waden gezwackt hat. Meine Freundin Jennifer und ihre Familie lebten dort im tollsten Haus überhaupt, mit großen Bäumen und einem Spielhaus im Garten, das im Sommer nach Harz duftete. Mit einem Nähzimmer der Mutter, das einen schrägen Boden hatte, so, wie Dachzimmer ein schräges Dach haben, nur halt andersherum … Klingt seltsam, oder? Ich weiß nicht, was das für eine seltsame Konfiguration war, vielleicht ein späterer Anbau? Vielleicht habe ich mir das auch nur ausgedacht? Aber in meiner Erinnerung ist diese Schräge jedenfalls mit beiger Auslegeware bedeckt gewesen, und man konnte sie wunderbar runterrutschen und sich die Knie aufschürfen. Hat man als Kind eigentlich jemals was anderes gemacht, als sich die Knie aufzuschürfen und den Schorf abzuknibbeln? Ach ja, Äpfel und Pflaumen vom Baum im Spielhäuschen essen und mit Bauchschmerzen zurück nach Hause laufen, um sich mit den Geschwistern zu streiten.

Nostalgische Grüße

Petra