Die Kirchenkritikerin Uta Ranke-Heinemann erhielt 1970 weltweit als erste Frau einen Lehrstuhl für katholische Theologie und verlor ihn 1987 wieder, weil sie die Jungfrauengeburt in Frage stellte.

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Das Elternhaus von Uta Ranke-Heinemann

Uta Ranke-Heinemann wuchs in den ersten Jahren sehr behütet auf, bis ihre Kindheit vom zweiten Weltkrieg überschattet wurde. Ihre Mutter Hilda hatte evangelische Theologie studiert, ihr Leben widmete sie der Erziehung ihrer vier Kinder. Utas Vater Gustav Heinemann war zunächst eher atheistisch eingestellt, bei der Eheschließung musste er dem Schwiegervater sogar noch versprechen, seine Frau niemals am Kirchgang zu hindern. Erst drei Jahre nach der Trauung vollzieht er seine Wandlung zum gläubigen und sozial sehr engagierten Protestanten. 

Gustav Heinemann in jungen Jahren mit seiner Frau Hilda und seinen vier Kindern (etwa 1931). Bildrechte: unbekannt

Das Kind Uta ist sehr begabt, mit sechs Jahren kennt sie mehrere Kinderbücher auswendig und mit acht Jahren kann sie zweistellige Zahlen im Kopf multiplizieren. Ausgesprochen prägend dürften auch die starken Pflicht- und Ehrvorstellungen beider Eltern gewesen sein. Utas Ehrgeiz ist allerdings so groß, dass der Vater ihr, um sie zu bremsen, für jede „Vier“ vier Groschen in die Sparbüchse steckt, für jede „Eins“ gibt es dagegen nur einen Groschen. 

Bomben auf Essen

1940 erlebt die Familie die erste Bombennacht – die Kinder werden daraufhin zu den Großeltern außerhalb von Essen umgesiedelt, wo sie auch die Schule besuchen. 1943 muss die gesamte Familie aus der Villa in Essen in eine Wohnung im Nachbarort fliehen. Die Mutter unterrichtet Uta selbst in Latein, später kommt Privatunterricht in Griechisch hinzu. Es fällt auf, wie schnell die Tochter alles begreift – und wie sehr sie ihre Lehrer auch immer wieder in Diskussionen verstrickt. Uta sieht man nie ohne ein Buch in der Hand, der Leseeifer wird den Eltern unheimlich. Nachdem 1944 auch das Ausweichquartier von Bomben getroffen wird, wird Uta nach Marburg geschickt, wo die Mutter studiert und ihr Examen abgelegt hat. Sie wohnt dort bei deren ehemaligem Professor Rudolf Bultmann. 

Uta Ranke-Heinemann
Foto: Stuart Mentiply, Wolfsburg (Wikipedia)

Schülerin auf einem Jungen-Gymnasium 

Nach Kriegsende zieht die Familie zurück in das wieder hergerichtete Haus in Essen. Es sind schwierige Zeiten, die Familie leidet Not, was auch an der moralischen Einstellung des Vaters liegt, der sich weigert, eine Sonderstellung für sich und seine Familie in Anspruch zu nehmen. Uta wird als einzigem Mädchen der Besuch des Burggymnasiums, einer reinen Jungenschule, gestattet. Dort lernt sie ihren Mitschüler Edmund Ranke kennen – eine Kriegswaise – in den sie sich verliebt, weil er so schön Homer aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzen kann, obwohl er nicht einmal ein eigenes Buch besitzt.  

Sie nimmt Privatstunden in Geschichte, griechischer Philosophie und Romanliteratur. Es ängstigt die Mutter, dass Uta so rastlos lernbegierig ist und die schönen Dinge des Lebens ignoriert. In ihrem Tagebuch, in dem sie die Gedanken über ihre Tochter festhält, notiert sie: „Du kannst nicht vor blühenden Wiesen mit Entzücken stehen bleiben, weil du immer irgendwie in Gedanken bist“. Im selben Tagebuch steht auch der Satz: „Du hast ein starkes Wissen um das Leid in der Welt“.

Uta Ranke-Heinemann sagt sechs Jahrzehnte später selbst, dass sie in ihrem Leben nicht eine einzige Stunde mit Nichtstun verbracht habe. Eine Rastlosigkeit, die schon früh zu Schlafstörungen führt, die sie eine Zeitlang versucht, mit Medikamenten zu bekämpfen, wovon sie aber wieder abkommt. Lieber nimmt sie es in Kauf, mitten in der Nacht aufzustehen, um zu lesen oder zu arbeiten. 1947 macht sie ihr Abitur mit Auszeichnung, der Vater wird im selben Jahr in den Landtag gewählt und Justizminister. 

Studium der evangelischen Theologie

Uta schreibt sich für ihr Studium der evangelischen Theologie an der Universität in Bonn ein. Als der Vater jedoch erfährt, dass ihr Freund Edmund Ranke in Bonn katholische Theologie studiert, muss sie sich auf seine Veranlassung hin wieder exmatrikulieren und stattdessen in Wuppertal einschreiben. Sie legt die Prüfung in Hebräisch mit Auszeichnung ab und studiert anschließend in Basel und Oxford. Oxfords Bibliotheken begeistern Uta. Sie studiert die Schriften der sogenannten Kirchenväter Augustinus oder Thomas von Aquin und genießt es sehr, dass niemand ihren Vater kennt.  Der ist mittlerweile eine Berühmtheit , wird 1949 Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland und kandidiert bei der ersten Bundestagswahl. Adenauer macht ihn zum Innenminister. 

Verlobung mit Edmund Ranke 

1950 kehrt Uta nach Bonn zurück und verlobt sich 1951 gegen den Willen des Vaters mit Edmund Ranke. 1953 konvertiert sie schließlich zum Katholizismus – als Begründung gibt sie später an, ihr sei es so vorgekommen, als habe sie in der die katholischen Kirche mehr Freiheiten als im strengen Protestantismus, den sie von zu Hause kannte. Außerdem habe sie das Gefühl gehabt, zu einer Minderheit zu wechseln, der geholfen werden müsse.  Dass sie vom Regen in die Traufe gekommen sei, habe sie zu spät realisiert. Sie geht nach München, um dort katholische Theologie zu studieren und wird als begabte Konvertitin sehr wohlwollend von den Professoren aufgenommen. 

Promotion gemeinsam mit Joseph Ratzinger

Der Vater nimmt es ihr sehr übel, dass sie sich vom Protestantismus abgewandt hat. Er kürzt ihr die finanzielle Unterstützung, und das bisschen, was sie von ihm noch bekommt, teilt sie mit Edmund, der als Waise gar nichts hat, sodass sie beide in Armut leben. Sie absolviert das auf sechs bis zehn Semester angelegte Studium in einem Jahr und promoviert 1954 gemeinsam mit Joseph Ratzinger, später Kardinal und Papst Benedikt XVI. Thema der Dissertation von Uta Heinemann: Das frühe Mönchtum. Seine Motive nach den Selbstzeugnissen der ersten Mönche, Beurteilung: „Magna cum laude“. Damals ist sie nach eigener Aussage noch fasziniert von der Frömmigkeit der Mönche. Die Dissertation ist bis heute in jedem Kloster der Welt zu finden. 

Uta Heinemann und Edmund Ranke heiraten 1954. Sie wird Dozentin am Erzbischöflichen Katechetinnenseminar und später an einer Schule, die von Ursulinen geleitet wird. Dort ist sie nicht sonderlich gut gelitten, die Nonnen warten darauf, dass ihr Mann endlich mit dem Studium fertig wird und sie aufhören kann, zu arbeiten. Sie fühlt sich gestresst und unter Druck und erleidet eine Fehlgeburt – und die Erkenntnis, dass die Nonnen sich in mehr um das ungeborene Kind sorgen als um sie, wird prägend für ihr späteres Leben.  Noch erkennt sie darin aber keinen systematischen Fehler. 

Familie und weitere berufliche Karriere

Die Beziehung zum Vater bessert sich sehr langsam, sie bekommen finanzielle Unterstützung, sodass sie und Edmund ein Haus kaufen können. 1958 und 1960 werden die Söhne Andreas und Johannes geboren. Trotzdem leben sie in prekären Verhältnissen, die Sparsamkeit wird Uta ihr Leben lang nicht mehr los. Um den Haushalt kümmert sich von Anfang an Edmund, der 1967 wegen einer chronischen Muskelkrankheit aus dem Schuldienst ausscheiden muss und später auf den Rollstuhl angewiesen ist. 

1965 wechselt Uta an die Pädagogische Fachhochschule in Neuss und habilitiert sich 1969 als erste Frau der Welt in katholischer Theologie. Ihr Hauptgutachter Karl Rahner wird im weiteren Verlauf selbst zu einer eher kritischen Stimme in der Welt der katholischen Theologie. 1970 wird Uta Ranke-Heinemann weltweit als erste Frau zur Professorin der katholischen Theologie ernannt. Im gleichen Jahr wird ihr Vater Gustav Heinemann Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

Zwanzig Jahre lang ist sie „voll auf Kurs“, beantwortet zum Beispiel die Leserbriefe an die Bistumszeitung. Doch als eine Frau anfragt, die nach fünf Kindern endlich verhüten möchte, plädiert sie – natürlich theologisch begründet – für eigene Entscheidungen der Eheleute. Die Zusammenarbeit mit der Zeitung ist daraufhin beendet. 

Pazifistisches Engagement von Uta Ranke-Heinemann

Sie wird oft zu Empfängen ihres Vaters eingeladen, kann sich mit den Gästen unter anderem auf Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Griechisch, Niederländisch und Russisch verständigen. Insgesamt zwölf Sprachen beherrscht sie. In den 70er Jahren schließt sie sich den weltweiten Protesten gegen den Vietnam-Krieg an, Gert Bastian zählt sie zu ihren engsten Freunden. (Er war der Lebensgefährte und leider auch der Mörder von Petra Kelly – hier gehts zur Episode über Petra Kelly). In ihrer Zeit als Friedensrednerin werden ihre Töne schärfer, wenn von angeblich gerechten Kriegen oder von „Soldaten Christi“ die Rede ist. Es frustriert Uta dass die Kirchen Kriege gutheißen und das ungeborene Leben um jeden Preis schützen. 1984 und 1985 kandidiert sie als Spitzenkandidatin für die Friedensliste zu den Bundestags- bzw. Landtagswahlen in NRW.

Von Stuart Mentiply, Wolfsburg (Wikimedia)

Streit um Marias Jungfräulichkeit 

Sie beginnt zu den Themen Sexualfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit zu forschen und kritisiert die hohen Kosten für den Papstbesuch. Außerdem fordert sie eine Wiedergutmachung an Martin Luther, der gesagt hat, dass die Ketzerverbrennung gegen den Willen des Heiligen Geistes geschehen seien. 1976 wendet sie sich gegen eine Erklärung des Papstes zur Sexualethik, wo die Ehe ohne Trauschein und die schwere Sünde der Onanie explizit abgelehnt werden. Masturbation galt als schwere Schuld – wird in der Bibel jedoch als solche gar nicht erwähnt. 

Der Streit entzündet sich schließlich an Marias Jungfernhäutchen. Die Idee, der die Katholiken anhängen, ist die, dass sie jungfräulich das Kind empfangen aber auch geboren hat, dass das Hymen also nicht verletzt wurde.  Am 15. April 1987 wird sie zu einer Sendung des WDR-Fernsehens am Marien-Wallfahrtsort Kevelaer eingeladen. Dort zweifelt sie das Dogma der Jungfrauengeburt an und sagt, Jesus sei ein Mensch gewesen, geboren von einer menschlichen Mutter. Er hatte auch Geschwister, die in der Bibel zu Stiefgeschwistern werden mussten aus eben diesem Grund. Die Vorstellung einer Jungfräulichkeit Marias sei eine kirchliche Geschichte und somit nicht als biologische Tatsache anzusehen. Zitat: „Viele Juden sind umgebracht worden, weil sie nicht an die Jungfrauengeburt glauben konnten. Und ich kann das auch nicht“.

Uta Ranke-Heinemann
Auf dem Weltjugendtag 2005. Foto: Sven Wolter, Lizenz: Creative Commons

Entzug der Lehrerlaubnis für katholische Theologie

Am 9. Juni 1987 wird Uta Ranke Heinemann zu Gesprächen ins Bistum geladen. Sie soll widerrufen – was sie nicht tut. Bei der Anhörung sagt sie, die Behauptung Maria sei eine Jungfrau gewesen, setze den normalen Zeugungs- und Geburtsvorgang herab und stelle ihn als schmutzig dar. Daher sei dies eine Beleidigung für alle Frauen und Eheleute. Kurz zuvor gibt sie in einem Interview im WDR eine Erklärung ab. „Ich werde uneingeschränkt dazu stehen und vorschlagen, dass wir uns auf Karl Rahner einigen, der schon 1970 geschrieben hat, dass diese Dinge als Bildersprache und nicht als historische Darstellungen zu verstehen sind. Wenn mir das gleich nicht gelingt, dann wird heute hier in Essen der bedeutendste Theologe dieses Jahrhunderts ebenfalls verurteilt. Insofern befinde ich mich in bester Gesellschaft.“ (Zitiert nach: Werner Alberts, Uta Ranke-Heinemann – Abschied vom Christentum, 2004, S. 82)

Am 15. Juni 1987 wird ihr die Lehrerlaubnis durch die katholische Kirchenleitung entzogen. Ende des Jahres erhält sie einen kirchenunabhängigen Lehrstuhl für Religionsgeschichte an der Universität-Gesamthochschule Essen.

Ute Ranke-Heinemann: „Eunuchen für das Himmelreich“ 

Ihr Ton wird schärfer, sie klagt beklagt die sexualfeindlichen und zölibatär-neurotischen Züge der Kirche oder das „frauenfeindliche Homosexuellen-Biotop“ – weil ja alle Frauen aus der Kirche verbannt seien, sind die Angehörigen der Kirche automatisch homosexuell. Sie fühlt sich von der Last des Gehorsams befreit. 1988 veröffentlicht sie das Werk: „Eunuchen für das Himmelreich“, in dem es um katholische Kirche und Sexualität geht. Themenschwerpunkte sind Frauenfeindlichkeit, die Sexualmoral und der Komplex ungeborenes Leben und Abtreibung, Todesstrafe und Krieg. 

Cover der Taschenbuchausgabe. Die Neuausgabe trägt zusätzlich den Untertitel: Von Jesus bis Benedikt XVI.

Sie sagt darin unter anderem, dass der Zölibat Priester in die verbotene Sexualität treibe. Und sie deckt ausführlich die nichtchristlichen Wurzeln des christlichen Sexualpessimismus auf. Sie bringt Dinge in verständlicher Sprache und Argumentation auf den Punkt. Maßstab für Sünde sind laut der Kirche die Fortpflanzung und die Lust. Wird die Fortpflanzung behindert, macht man sich schuldig. Kondom, Pille, Coitus Interruptus, Anal- oder Oralverkehr oder Masturbation dienen nicht der Fortpflanzung und sind daher eine schwere Sünde.

Sie wendet sich auch gegen die reine Männerkirche. „Die Unterordnung der Frau unter den Mann ist ein Postulat der Theologen während der ganzen Kirchengeschichte geblieben, und auch in der Männerkirche von heute ist sie immer noch als gottgewollt dogmatisiert. Die Männerkirche hat niemals begriffen, dass die Wirklichkeit der Kirche sich auf die Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit von Mann und Frau gemeinsam gründet.“ (Eunuchen, Seite 201). Eine bloß virile Kirche hat ihrer Meinung nach längst aufgehört, Kirche in vollem Sinne zu sein. Sie hat längst ihre Katholizität gegen einen dünkelhaften Sexismus ausgetauscht. Diese Männerkirche ist zu einem „Schrumpfchristentum“ degeneriert. Der christliche Glaube ist zu einem Zölibats-Credo ausgetrocknet. “ (Eunuchen, Seite 202). Das Buch wird auf Anhieb ein Weltbestseller, es wird sogar auf Japanisch übersetzt. 

Und noch ein Bestseller: „Nein und Amen“

1992 veröffentlicht sie „Nein und Amen. Mein Abschied vom traditionellen Christentum“. Das Buch wird ebenfalls ein Bestseller. Uta Ranke-Heinemann zeigt darin den phantastischen Ballast von Märchen und Legenden innerhalb des neuen Testaments auf, den die Kirche mit sich schleppt. Die führt aus, dass es Sadismus sei, an eine Hölle, und Henkertheologie, an eine Erlösung durch Blut zu glauben. Dahinter stecke das Bild eines heidnischen Blutgottes, der Menschenopfer fordert. Sie führt die Leser*innen fort von einer christlichen Erziehung zur Grausamkeit und Verstandesunterdrückung. Das Buch wendet sich gegen eine Religion der Angstmacherei und sinnlosen Opfer unter der Herrschaft männlich klerikaler Arroganz und Unfehlbarkeit. Sie führt sie hin zu einem „Gott des Lebens“. 

Nein und Amen, Uta Ranke-Heinemann
Cover der Originalausgabe, die Neuausgabe trägt den Untertitel „Mein Abschied vom traditionellen Christentum“

Ein ganzes Leben für die Wahrheit

1999 kandidiert Uta Ranke-Heinemann – vor allem aus Protest gegen den Krieg im Kosovo – für das Amt der Bundespräsidentin. 2001 verstirbt ihr Mann Edmund. Sie widmet ihm in der Neuauflage von „Nein und Amen“ das Kapitel „Eine Blume auf das Grab meines Mannes“. 2009 wirkte sie in Rosa von Praunheims Film „Rosas Höllenfahrt“ – einem Dokumentarfilm zur Geschichte der Hölle – mit. Sie wendet sich bis ins hohe Alter in Interviews, Reden und Schriften gegen die Brutalität, mit der gegen homosexuelle Menschen seitens der katholischen Kirche in ihrer 2000jährigen Geschichte vorgegangen wurde. Die katholische Kirche fände auch heute noch mehr Sünde in den Schlafzimmern als auf den Schlachtfeldern. 

Am 25. März 2021 stirbt Uta Ranke-Heinemann in ihrem Haus im Beisein ihres Sohnes Andreas, ihrer Schwiegertochter und ihres einzigen Enkels. 

Weiterhören auf Frauenleben:

Podcast-Episode über Maria von Nazareth. Hier geht es unter anderem um die Mythen rund um die „Jungfrauengeburt“

Petra Kelly – pazifistische Mitstreiterin von Uta Ranke-Heinemann

Weiterführende Links:

Katechismus der katholischen Kirche: Berufung zur Keuschheit

Abschnitt 2352. Zitat:

Masturbation ist die absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane, mit dem Ziel, geschlechtliche Lust hervorzurufen. „Tatsache ist, daß sowohl das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets gleichbleibenden Überlieferung als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben, die Masturbation als eine in sich schwere ordnungswidrige Handlung zu brandmarken“, weil „der frei gewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich widerspricht“. Der um ihrer selbst willen gesuchten geschlechtlichen Lust fehlt „die von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe realisiert.

 

Abschnitt 2357. Zitat: Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10.], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, „daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“ (CDF, Erkl. „Persona humana“ 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.

Katechismus der katholischen Kirche: Berufung zur Keuschheit

Der empfehlenswerte Podcast der Zeit, „Unter Pfarrerstöchtern“, beschäftigt sich mit den Geschichten aus der Bibel. Wir verlinken eine Episode, in der unter anderem eine Stelle im Alten Testament (Gen 19, 1-29) behandelt wird, die wir in unserer Episode erwähnen. Die fragwürdige Bibelstelle wird im Weltkatechismus bis heute herangezogen, um die Verderbtheit der Homoesxualität zu belegen. „Sodom und Gomorra“ (etwa ab Minute 12:45).

Interview mit Uta Ranke-Heinemann zu den Themen katholische Kirche und Zölibat vom 7. Juni 1995. Video: „Von einem Bischof erwarte ich nichts“

Quellen:

Werner Alberts, Uta Ranke-Heinemann, Abschied vom Christentum, Patmos, 2004

H.-D. Schütt, Uta Ranke-Heinemann, Querköpfe, Elefantenpress, 1993

Uta Ranke-Heinemann, Eunuchen für das Himmelreich. Katholische Kirche und Sexualität. Von Jesus bis Benedikt XVI. Aktualisierte Taschenbuchausgabe 02/12, Heyne

Uta Ranke-Heinemann, Nein und Amen. Mein Abschied vom traditionellen Christentum. Ergänzte Neuausgabe, Heyne

Website über Uta Ranke-Heinemann mit einigen Texten und Kurzbiographie

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Artwork und Musik: Uwe Sittig 

Frauenleben-Hosts: Susanne Popp und Petra Hucke 

Frauenleben-Podcast 

Instagram: https://www.instagram.com/frauenleben.podcast/

Die Schweizerin aus gutbürgerlichem Hause war Juristin, Journalistin und Frauenrechtlerin. Scharfzüngig und hellsichtig analysierte sie die Geschlechterverhältnisse in der Schweiz. In ihrem Werk „Frauen im Laufgitter“, erschienen 1958, kritisiert sie, dass den Frauen oft nur berufliche „Abfallarbeit“ zugestanden werde. Sie verurteilt den „Haushaltsfron“, problematisiert Ehe und Mutterschaft sowie die politische Unmündigkeit der Frauen und propagiert überdies sexuelle Selbstbestimmung und freie Liebe. 

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Iris von Roten, geborene Iris Meyer, war ein ausgesprochen reflektierter Mensch. Und sie war bei aller intellektueller Schärfe ein sinnlicher Mensch. Sie liebte Literatur, Kunst und Kunstgeschichte und stellte schon als junges Mädchen fest, dass Arbeit und Genuss sich im Leben eines Menschen die Waage halten sollten. Die Rolle, welche die Gesellschaft für Frauen vorgesehen hatte, behagte ihr hingegen ganz und gar nicht.  

Sie studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bern, fällt auf durch ihre Intelligenz, ihre selbstbewusste Haltung und ihren Sinn für Mode. Nach ihrer Dissertation arbeitet sie als Journalistin, unter anderem als Chefredakteurin des Schweizer Frauenblatts. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Peter von Roten, den sie während ihres Studiums kennengelernt hat, betätigt sie sich auch als Anwältin. Bereits 1948 beginnt sie mit den Recherchen für ihr Hauptwerk „Frauen im Laufgitter. Offene Worte zur Stellung der Frau“, das 1958 erscheint. 

efef-Verlag, Neuauflage 2014 mit einem Nachwort von Elisabeth Joris

Zu dieser Zeit dürfen Frauen in der Schweiz noch nicht wählen. Im Februar 1959 soll darüber abgestimmt werden – und ihr feministischen Manifest feuert die Debatten rund um das Thema Frauenwahlrecht an. Iris von Roten wird als wütend und aufrührerisch wahrgenommen und als „streitsüchtige Hysterikerin“ diffamiert. Selbst Frauenverbände distanzieren sich von ihr, da sie sich mit vielen ihrer radikalen Positionen nicht anfreunden können. Insbesondere ihre Auffassung von selbstbestimmter Sexualität findet bei ihren Geschlechtsgenossinnen keine Zustimmung. Dass Iris und Peter von Roten selbst ein unkonventionelles Beziehungsmodell leben, welches nicht strikt monogam ist und Haushalt und Kindererziehung auf beide Ehepartner verteilt, dürfte die Ablehnung zusätzlich verstärkt haben. 

Die „Simone de Beauvoir der Schweiz“ wird sie auch genannt und eine solch faszinierende Persönlichkeit hat natürlich einen Ehrenplatz in unserem Frauenleben-Podcast verdient. Diese Folge beruht auf der Doppelbiografie „Verliebte Feinde“ des Historikers Wilfried Meichtry, dem umfangreiches Archivmaterial für seine Arbeit zur Verfügung stand, unter anderem Tagebücher von Iris von Roten sowie der Briefwechsel des Ehepaars Iris und Peter von Roten. 

Quelle: 

Wilfried Meichtry, Verliebte Feinde. Iris und Peter von Roten. Nagel & Kimche 2012

Weiterlesen:

Frauen im Laufgitter. Offene Worte zur Stellung der Frau. Neuausgabe 2014, efef-Verlag

Lesetipp online: 

Mit Iris von Roten „den Problemen des weiblichen Lebens bis an die Wurzel nachgehen“, von Dolores Zoé Bertschinger

Anschauen:

Trailer zum Kino Film „Verliebte Feinde“, Drehbuch von Wilfried Meichtry (Docufiction) 

Iris von Roten interviewt Esther Vilar zu ihrem Buch „Der dressierte Mann“ 

Artwork und Musik: Uwe Sittig

Frauenleben-Hosts: Susanne Popp und Petra Hucke 

Podcast-Website: Frauenleben-Podcast 

Instagram: https://www.instagram.com/frauenleben.podcast/

Dorothea Christiane Erxleben war im 18. Jahrhundert die erste promovierte Ärztin Deutschlands, setzte sich für die Bildung von Frauen ein und kämpfte gegen Vorurteile an, die schon auf die Griechen zurückgehen.

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An einem schönen Frühsommertag 2019 in Quedlinburg. Bei unserem Streifzug zu Beginn unseres Urlaubs spazieren wir durch das Städtchen mit der jahrtausendealten Geschichte und landen schließlich im Klopstockmuseum. Die Stimmung ist ein wenig gedämpft. Verträumt und träge liegen die Häuser und Gassen im Schatten des Klosterberges, der die Stadt beherrscht. 

Quedlinburg Klopstockhaus (wikimedia). Von Michael Mertens, Darmstadt.

Kämpferin für die Rechte der Frauen

Ein paar Studenten haben die Säule vor dem Museum mit langen Papierstreifen umwickelt, auf denen Gedichte stehen. Eine spielerische Einladung, sich ein Stück Lyrik abzureißen, zu lesen und mitzunehmen. Ich bin sofort verzaubert. Wir treten ein. Der freundliche ältere Herr mit dem feinen Lächeln, der an der winzigen Theke die Besucher empfängt, scheint schon seit Jahrhunderten hier auf uns zu warten. Früher trug er wahrscheinlich ein Barrett, heute ein Jackett. In dieser ein wenig entrückten Stimmung also begegnet mir Dorothea Erxleben zum ersten Mal, denn in dem kleinen Raum gleich links hat man ein Gedenkzimmer für diese berühmte Tochter der Stadt Quedlinburg eingerichtet. Dabei war sie natürlich alles andere als eine Träumerin. Im Gegenteil, sie stand mit beiden Beinen fest im Leben und ließ sich durch nichts von den Zielen, die sie sich für ihr Leben gesteckt hatte, abbringen. Sie war die erste promovierte Ärztin Deutschlands, erfahren wir. Und sie war eine Kämpferin für die Rechte der Frauen. Ihre Streitschrift mit dem Titel «Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studieren abhalten», liegt in einem Reprint aus. 

Meine Neugierde ist geweckt und als wir nach interessanten Frauen für unseren Podcast Ausschau halten, fällt mir natürlich Dorothea Erxleben als Erstes wieder ein. In der Unibibliothek besorge ich mir einen Nachdruck ihrer im altertümlichen Deutsch des 18. Jahrhunderts verfassten Streitschrift. Es ist die einzige ihrer Art in Deutschland in der damaligen Zeit. Ein Aufruf, Frauen die gleiche Erziehung zukommen zu lassen wie Männern. 250 Seiten schreibt sie, nach 410 Paragrafen geordnet, und setzt sich mit Fragen auseinander wie 

  • Ob Weyber Menschen seyn
  • Dass die Vernunft der Weyber nur eine halbe Vernunft sey
  • Gelehrsamkeit schicke sich nicht für dieses Geschlecht, da dasselbe keinen Nutzen davon zu erwarten habe.

Sie ist 22 Jahre alt, als sie diese Schrift verfasst, und es ist ihr Vater, der vier Jahre später dafür sorgt, dass sie publiziert wird. Eine bemerkenswerte Familie, denn Dorothea Christina Leporin, so ihr Mädchenname, kämpft gegen Vorurteile an, die schon auf die Griechen zurückgehen. Aristoteles zum Beispiel begriff «Mann und Frau» als ein kosmologisches Prinzip, ebenso wie die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde. Männer galten als heiß und trocken, Frauen als feucht und kalt – Frauen galten als minderwertiger wegen der geringeren Hitze des weiblichen Körpers. Eine Auffassung die bis Ende des 18. Jahrhunderts vorherrschte und nicht wirklich herausgefordert wurde. Nur der Mann ist demnach die aktive Kraft, er legt den Samen in die passive Frau. (Die weibliche Eizelle wurde erst 1827 entdeckt!) 

Geburtshaus von Dorothea Erxleben, Foto: Christian Bickel. Wikimedia

Seit dem Mittelalter wurde diese Auffassung von den christlichen Scholastikern gelehrt. Und die Diffamierung der Frauen durch die katholische Kirche fand auch auf andere Art und Weise ihre Fortsetzung. Jahrhunderte lang wurde die Minderwertigkeit der Frau beispielsweise damit erklärt, dass Eva aus der Rippe des Adams gemacht und folglich ihm untergeordnet sei. Diese Auffassung wurde dann allerdings irgendwann auch theologisch herausgefordert, beispielsweise von dem Humanisten Heinrich Cornelius von Nettersheim (1529), der Eva als Gottes Meisterstück bezeichnet hat, weil er sie als Letztes erschaffen habe. 

Doch all diese Diskussionen änderten nichts an der sozialen und gesellschaftlichen Rolle der Frau, in der auch Dorothea sich wiederfand und mit der sie zurechtkommen musste. Nicht nur das, sie hat sie akzeptiert. Nur die Unwissenheit der Frau akzeptierte sie nicht. 

Ihre außergewöhnliche Streitschrift adressiert sowohl Männer als auch Frauen. Gegenüber den Männern gibt sie sich bescheiden. Kein Wunder, denn das ist die einzige Möglichkeit, gehört zu werden. Gegenüber den Frauen ist sie direkter, sie fordert die Frauen dazu auf, sich nicht hinter falschen Entschuldigungen zu verstecken, und dazu zählt sie fehlendes Selbstvertrauen, Angst für stolz gehalten zu werden oder auch die Angst vor Anstrengung.  Sie sieht zwar ein, dass Frauen, welche einen Haushalt zu führen haben, unter Umständen nicht die Energie haben, sich zu bilden. Doch Frauen, die durch ihren sozialen Status privilegiert seien, hätten diese Ausrede nicht, für sie bestehe kein Grund, ein Leben in Ignoranz zu führen. Solche Frauen sollten sich ihrer Meinung nach selbst weiterbilden. Dorothea weist außerdem die traditionelle Auffassung zurück, dass Frauen mehr als Männer ihren Emotionen ausgeliefert seien und den körperlichen Bedürfnissen unterliegen – sie sagt, dass wenn man bedenkt, was Frauen Tag für Tag leisten müssen, doch viel dafür spricht, dass sie durchaus leistungsfähig sind und durchaus ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten vermögen. Einen Haushalt zu führen und Kinder zu erziehen seien schließlich anspruchsvolle Tätigkeiten. 

Es geht ihr dabei nicht um eine gesellschaftliche oder soziale Revolution. Sie argumentiert vielmehr, dass Frauen, die ihren Intellekt benutzen, um sich zu bilden, ihre täglichen Pflichten besser erfüllen und wahrnehmen können. Sie könnten ihr Leben besser und effektiver planen und in die Hand nehmen. Sie können auch der Gesellschaft besser dienen. 

Ihr Leben zeigt, dass sie harte Arbeit nicht scheute. Ihre Pläne, in Halle zu studieren, muss sie aufgeben, als sie einen Witwer mit fünf Kindern heiratet. Doch das medizinische Handwerk und das theoretische Wissen dazu hatte sie zuvor schon von ihrem Vater gelernt. Sie hört nicht auf zu praktizieren. Ihre Patienten lieben sie und die anderen Ärzte in Quedlinburg fürchten ihre Konkurrenz. Sie macht sich einen Namen, erwirbt sich einen guten Ruf, und auch die Doktorwürde wird ihr nicht verwehrt, wenn sie ihr Ziel auch erst Jahre später erreicht. Wie sie das geschafft hat? Im Podcast erzählen wir die außergewöhnliche Geschichte dieser außergewöhnlichen Frau. 

Quellen:

Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten. Dorothea Christina Leporin, mit einem Nachwort von Gerda Rechenberg. Hildesheim : Georg Olms, 1975, Nachdruck Originalausgabe: Berlin, Johann Andreas Rüdiger, 1742
Renate Feyl. Der lautlose Aufbruch. Frauen in der Wissenschaft. Diana Verlag.
Ausstellung im Klopstockhaus Quedlinburg

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