Virginia Prince war eine der ersten Transgender-Aktivistinnen und wurde für revolutionäre Ideen zu arbiträren Geschlechterrollen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft bekannt. Sie war Herausgeberin eines der ersten Magazine für «Transvestiten» und setzte sich bei Politikern, Psychiatern und Polizisten für diese Gruppe von Menschen ein.

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Anmerkung: Der Geburtsname von Virginia Prince sowie die männlichen Pronomen werden in diesem Artikel bewusst verwendet, um die Identität von Virginia abzubilden, wie sie sie selber in «Transvestia» beschrieben hat. Generell ist es wichtig, Transgender-Personen nach ihren Pronomen zu fragen. Diese werden oft auch für die Zeit vor der Transition verwendet.

Worte wie «Transvestit» oder «transsexuell» werden im historischen Kontext gebraucht, um die damaligen Ansichten verständlich zu machen.

Ein Gastbeitrag von Antonia Popp

Kindheit von Virginia Prince

Die spätere Virginia wird 1913 als Arnold Lowman in Los Angeles geboren. Arnold ist das Kind des erfolgreichen Orthopäden, Charles Leroy Lowman, und der wohlhabenden Tochter eines Gutsbesitzers, Elizabeth Hudson Lowman. Eine Faszination für das Tragen von Frauenkleidung entwickelt sich bei dem Jungen mit zwölf. Er stiehlt sich oft heimlich als Mädchen aus dem Haus und nennt sich Muriel. Die Zweifel über die eigene Identität und die Tatsache, dass er sie versteckt halten muss, belasten ihn stark. Später schreibt Virginia, dass sie sich aber damals schon sicher war, sich nicht sexuell für Jungs oder Männer zu interessieren.

Virginia Prince
Virginia Prince. Quelle: University of Victoria, Transgender Archive

Magazin Transvestia

1957 veröffentlicht Virginia einen Artikel unter dem Pseudonym Charles Prince über Transvestiten. Hier drückt sie ihre Meinung über die Trennung von drei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen aus: 1. Homosexuelle: Männer, welche sexuell an Männern interessiert sind, 2. Transsexuelle: Männer, welche als Frau auftreten, eine anatomische Angleichung wünschen und auch sexuell an Männern interessiert sind, 3. Transvestiten: Männer, die nach außen hin als Frau auftreten, aber «ausschliesslich heterosexuell», das heisst an Frauen interessiert sind. Zwei Jahre später legt sie «Transvestia» als Magazin wieder auf. Zielgruppe sind ausschliesslich die ihrer Meinung nach «wahren Transvestiten». Diese Ansichten haben zur Folge, dass sich andere Aktivistinnen wie Louise Lawrence von ihr distanzieren. Joan Thornton, welche sich den Namen «Transvestia» ausgedacht hatte, wirft ihr sogar vor, diesen gestohlen zu haben.

Virginia Prince Transvestia Magazine
Quelle: University of Victoria, Transgender Archive

Sex und Gender

Im Zusammenhang mit der Trennung von Transsexuellen und Transvestiten beginnt Virginia aber auch über die Trennung von «sex» (sexuelles Geschlecht) und «gender» (gesellschafliches Geschlecht) zu schreiben. Später schreibt sie oft über die arbiträre Kategorisierung im Bereich von «gender» und führt die Theorie aus, dass jeder Mann eine feminine Seite habe, welche die meisten Männer aber unterdrücken würden, um gesellschaftlichen Normen zu genügen. Auch in Sydney und London ist sie als Aktivistin tätig. Sie tritt bei medizinischen Konferenzen auf, um Transvestismus zu entstigmatisieren und gegen die Meinung anzutreten, er sei ein pathologisches Problem, welches geheilt werden müsse. Ausserdem setzt sie sich für die Aufhebung von Gesetzen ein, die das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts kriminalisieren.

Virginia Prince Talk

Hose and Heels Club

1960 gründet sie den Hose and Heels Club in Los Angeles. Bei den heimlichen Treffen kommen die Transvestiten in Männerkleidung zusammen und ziehen Strumpfhosen und hohe Schuhe, die sie in Papiertüten verborgen mitbringen, gleichzeitig an. Ein Ritual, das die Unterwanderung durch verdeckte Vermittler verhindern soll. 1962 folgt die Gründung von FPE, der Organisation für «Full Personality Expression», welche anfangs neben dem Hose and Heels Club auch Ableger in Chicago, Cleveland und Wisconsin umfasst und während Virginias Aktivismustätigkeit immer weiter wächst. Bei ihrem Austritt umfasst die Organisation 1800 Mitglieder. Zu Zeiten des Hose and Heels Clubs waren es 12 gewesen.

Virginia Prince Hose and Heels Club
Hose and Heel Club. Quelle: University of Victoria, Transgender Archive

1966 beginnt mit ihrer zweiten Scheidung ihre endgültige gesellschaftliche Transition. Dank ihres Therapeuten Harry Benjamin erhält sie einen weiblichen Pass. Sie unterzieht sich einer Gesichtshaarentfernung, beginnt weibliche Hormone zu nehmen und kleidet sich im Alltag immer öfters weiblich, bis sie schlussendlich Männerkleidung generell vermeidet. Zu dieser Zeit führt ein Briefwechsel mit einem Transvestie-Interessenten zu ihrer Verurteilung. Sie erhält fünf Jahre auf Bewährung und darf sich für einige Zeit in der Öffentlichkeit nicht mehr in Frauenkleidung zeigen. Mit der Hilfe ihres Anwaltes schafft sie es allerdings, eine Ausnahmeerlaubnis für Auftritte zu Aufklärungszwecken zu erhalten. Ihre Aussagen gegenüber Transsexuellen werden zu dieser Zeit immer extremer. Trotz ihrer Freundschaft mit einigen Frauen, welche sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen haben, bedauert sie die zunehmende Popularität dieser Operation öffentlich und rückt auch nicht von ihrer Meinung ab, Transsexuelle seien homosexuell, obwohl diese sich selber als Frauen verstehen, welche sexuell an Männern interessiert sind.

Kritik von der eigenen Leserschaft

Als Virginia sich im Magazin «Transvestia» zu oberflächlichen sexuellen Kontakten mit einem Mann bekennt, kritisieren sie die eigenen Leser, die Diskriminierung und einen Rückschlag für den Aktivismus der Transvestiten-Gemeinschaft fürchten. Nach seiner zweiten Hochzeit lässt ihr Vater Virginia nicht mehr in sein Haus. Kurz darauf schliesst auch ihre eigene Organisation FPE sie aus, weil herauskommt, dass sie persönliche Informationen von Mitgliedern verkauft hatte.

1979 verkauft Virginia Prince schliesslich «Transvestia» zur 100. Ausgabe des Magazins. 1982 beendigt sie ihre Aktivismustätigkeit und stirbt 27 Jahre später mit 96 in Los Angeles.

Anmerkung: Im Podcast sage ich, dass Christine Jorgensen die erste Transgender-Frau war, welche sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog. Dem ist nicht so. Sie war aber eine der ersten, die die Prozedur in Amerika bekannt machte und wegen ihrer anatomischen Transition durch die Presse ging. Dies dürfte der Grund gewesen sein dafür, dass Virginia mit ihr Kontakt aufnahm.

Gastbeitrag und Podcast-Episode von Antonia Popp  

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Quellen

https://zagria.blogspot.com/2013/03/virginia-prince-1912-2009-part-1-youth.html#.YO21RhMzbCU (Hauptquelle)

Basierend auf den Büchern:

“From Man to Woman: The Transgender Journey of Virginia Prince” Richard Docter, 2014

“Virginia Prince: Pioneer of Transgendering” Richard Ekins, 2006

“Transvestia” Archiv: https://vault.library.uvic.ca/collections/6576cedf-1282-4089-8351-08f73f4199b4

Bilder: https://www.uvic.ca/transgenderarchives/collections/virgina-prince/index.php

Podcastempfehlung: https://zurichpridefestival.ch/podcast/ (auch bei Spotify und Apple Podcasts) Interessante Folge z.B. zum Thema Transgender: «Trans und zum Islam konvertiert» vom 31.1.2021

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Artwork und Musik: Uwe Sittig 

Frauenleben-Hosts: Susanne Popp und Petra Hucke 

Frauenleben-Podcast 

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