Die deutsche CDU-Politikerin war die erste Frau, die in der Bundesrepublik Deutschland das Amt einer Bundesministerin innehatte. Sie schrieb gegen die Nationalsozialisten an und setzte sich für die Reform des Familienrechts ein. Als Bundesgesundheitsministerin leistete sie Pionierarbeit auf dem Gebiet der Gesundheits- und Umweltpolitik.

***

Ihr Elternhaus ist liberal eingestellt. Die Mutter, eine Lehrerin, und vor allem die Tante sind von der Frauenbewegung der 1880er Jahre beeinflusst. Elisabeth besucht die Schillerschule in Sachsenhausen, die als eine der besten Mädchenschulen Deutschlands gilt. 

Der Vater wird Oberschulrat und sitzt als Abgeordneter der Deutschen Volkspartei in der Weimarer Republik im preußischen Landtag. Er lebt seiner Tochter politisches Engagement vor, streitet für die Themen, die ihn bewegen und beschäftigen. Die selbstverständlich gleichberechtigte Lebensweise der Eltern prägt Elisabeth sehr. Gleichzeitig fragt sie sich, wie man die Rolle der Frau den neuen Gesellschaftsformen so anpassen könnte, dass sie Kinder haben und doch mit gleichen Entwicklungschancen leben könnte wie ein Mann. Es wird das Thema ihres Lebens. 

Lehrerin, Juristin, Kirchenbeamtin

Mit 19 Jahren hat sie ihr Abitur in der Tasche und will studieren, es zieht sie zum Journalismus. Der Vater empfiehlt ihr, Lehrerin zu werden. Ein Jahr später legt sie am Oberlyceum ihr Examen für Volks- und Mittelschulen ab, entscheidet sich aber dann, Jura zu studieren und Jugend- oder Vormundschaftsrichterin zu werden. Sie besucht Verhandlungen an Frankfurter Gerichten, Verhandlungen, die etwas Neuartiges haben, da der einfühlsame Richter sich für die Beweggründe der jungen Gesetzesbrecher interessiert. Der Geist der Güte, so sagt sie es selbst, durchweht den Gerichtssaal und sie ist sich nun sicher, dass dies ihr Beruf werden soll. 

Elisabeth Schwarzhaupt. Erste Bundesministerin Deutschlands
©ACDP

Dann kommen die Nazis an die Macht und alles anders als geplant. Elisabeth Schwarzhaupt liest Hitlers Schriften. Sie ist entsetzt, «und zwar wegen seines Niveaus, wegen dieser primitiven demagogischen Art, dass ich sagte, das darf doch nicht sein, dass dieser Mann eine große politische Rolle in Deutschland spielt.» In der Folge tritt sie in die DVP ein. Sie schreibt Broschüren und hält Vorträge, die die frauenfeindliche Haltung der Nationalsozialisten, ihre rein männlich ausgelegten Strukturen und ihr dümmliches Frauenbild zum Thema haben. Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die keine Frauen im Richteramt dulden, muss sie sich beruflich neu orientieren. 

Diese Chance bietet ihr die evangelische Kirche. Am 1. April 1939 wird sie zur Oberkirchenrätin ernannt und verbeamtet. Nach Kriegsende wechselt sie ins kirchliche Außenamt der EKD. Sie befasst sich mit dem Thema Abtreibung, die damals noch streng unter Strafe steht und wirft die Frage auf, ob es nicht erlaubt sein sollte abzutreiben, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Schwangerschaftsabbrüche aus anderen Gründen werden von der evangelischen Kirche allerdings damals noch rigoros abgelehnt. 

Die erste Frau in einem Ministeramt 

1953 kandidiert sie zum ersten Mal für den Bundestag, nachdem sie vier Jahr zuvor ein entsprechendes Angebot noch abgelehnt hat. Im zweiten Anlauf, vier Jahre später, gewinnt sie ihren Wiesbadener Wahlkreis. Im Jahr 1954 hält sie ihre erste Rede im Plenum zum Thema Änderung des Familienrechts. 

Elisabeth Schwarzhaupt im Bundestag
@ACDP

 Ich glaube, dass ich mit meinem Eintritt in das Kabinett, wenn auch als Alibifrau, eine Tür für die Frauen geöffnet habe, die nicht mehr zugeschlagen werden konnte.

Elisabeth Schwarzhaupt

Gleichstellung von Männern und Frauen ist ihr Thema und immer wieder auch die rechtliche Situation von Kindern. Beispielsweise setzt sie sich dafür ein, dass unehelich geborene Kinder den ehelich geborenen rechtlich gleichgestellt werden. 

1961 wird sie trotz Adenauers anfänglichem Widerstand gegen eine Frau in seinem Kabinett Ministerin. Das Familienministerium bleibt jedoch dank des Einsatzes mächtiger konfessioneller Gruppen einem verheirateten Katholiken vorbehalten. Für die unverheiratete Protestantin Elisabeth Schwarzhaupt wird das Amt des Gesundheitsministeriums neu geschaffen. Sie gestaltet es so aus, dass es auch Themen wie Verbraucher- und Umweltschutz umfasst. Die Umweltpolitik, die sie schon 1961 angestoßen hat, wird später der sozialliberalen Koalition ab 1971 zugeschrieben. 

Zu den Dingen, die sie auf den Weg gebracht hat, gehören das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Lebensmitteln, die Kennzeichnung von Fremdstoffen in Lebensmitteln, eine Umweltschutzverordnung zur Reinhaltung des Wassers und der Luft und eine Reform des Arzneimittelgesetzes. 

***

Quelle:

Harald Ille: „In diesem Kreise sind auch Sie ein Herr“ – Elisabeth Schwarzhaupt, erste Ministerin der Bundesrepublik. In: Frankfurter Frauengeschichte(n), Societätsverlag 2017.

***

Artwork und Musik: Uwe Sittig

Frauenleben-Hosts: Susanne Popp und Petra Hucke 

Podcast-Website: Frauenleben-Podcast 

Instagram: https://www.instagram.com/frauenleben.podcast/

Comments are closed.