Ein Artikel in der aktuellen mare erzählt von der ersten Frau, die 1955 in Deutschland ein Kapitänspatent für die Große Fahrt erwarb und dennoch niemals als Kapitänin arbeiten durfte – Annaliese Teetz.
Warum werden Frauen bestimmte Berufe verwehrt? Die einen sagen, sie sei körperlich nicht geeignet, die andern behaupten, es sei unweiblich. Was ist überhaupt weiblich und was nicht? Erziehung und Tradition versuchen, Mann und Frau in bestimmte Formen zu zwingen. … Wenn ein Mensch, gleichgültig ob Mann oder Frau, die Berufswahl aus einer echten Veranlagung heraus trifft, so darf er niemals deswegen verurteilt werden.
Annaliese Teetz, zitiert in mare No. 145, April/Mai 2021, S. 114–116, „Frau am Steuer“ von Christine Keitsch
Geboren wurde sie in Hamburg Blankenese. Eine passendere Heimatstadt für ihre Leidenschaft – das Wasser – gibt es wohl nicht, und schon früh lernte sie rudern und segeln. Sie wollte, so drückte sie sich aus, Seemann werden. Doch 1929 war das aufgrund der schlechten Wirtschaftslage nicht einfach, schon für Männer nicht, aber sie muss einige Male ausgelacht worden sein. Das schwache Geschlecht. Frauen auf Schiffen, bringen die nicht eh nur Unglück? Schließlich fand die 21-Jährige jemanden, der sie mit zum Fischfang nahm, allerdings nur, wenn sie sich als Junge verkleidete.
Harte Arbeit
Die Arbeit war hart, aber sie liebte sie, und einer der Kapitäne hatte, so schrieb er in einem Zeugnis, richtige „Hochachtung“ vor ihr, die sich vor nichts drückte. Leider bekam sie um diese Zeit noch kein ordentliches Seefahrtsbuch, aber zumindest ließ sie sich Unterschrift und Stempel geben.
Der Zweite Weltkrieg führte dazu, dass sie offiziell anmustern durfte – die Männer waren knapp. So entschied sie sich, ihre gerade angenommene Stelle als Lehrerin wieder zu kündigen und erneut in See zu stechen. Nord- und Ostsee sollten es sein. Doch die Nationalsozialisten sahen es auch nicht gern, wenn eine Frau Haus, Herd und Nachwuchs verließ. Es wurde öffentlich gegen sie gehetzt, und sie musste ihren eigenen kleinen Krieg kämpfen, bis sie 1942 eine Sondergenehmigung erhielt. Persönlich unterzeichnet von Hitler. Das schien ihr kein großes Kopfzerbrechen zu machen.
Schließlich hatte sie durch ihre Arbeit genug Stunden auf dem Wasser zusammen, um Steuermannspatente zu erwerben. Als Zweiter Steuermann auf einem großen Dampfer lernte sie 1943 ihren Zukünftigen kennen, den Schiffsingenieur Ernst Teetz. In den nächsten Jahren, auch nach dem Krieg, waren sie teilweise zusammen unterwegs und versuchten sich wenig erfolgreich an der Gründung einer Reederei.
Einer Frau die Verantwortung
1954 war dann auch noch das Bundesverkehrsministerium dagegen, dass sie ihr Kapitänspatent für die Große Fahrt machte, aber auch diese Hürde nahm sie und hatte es ein Jahr später in der Tasche. Und das noch vor dem Gleichstellungsgesetz von 1958.
Dennoch – keine ihrer Bewerbungen war jemals erfolgreich. Niemand wollte einer Frau die Verantwortung für Schiff und Crew und Ladung übergeben. Niemand, so gut all ihre Zeugnisse und Referenzen auch waren.
Um diese Zeit verfasste sie die „Denkschrift zur Gleichberechtigung der Frau im Seemannsberuf“, aus der ich oben zitiert habe. „Stüermann Annaliese“ war noch bis 1968 auf See, bis ihr Mann gepflegt werden und sie wieder als Lehrerin für Geografie und Leibeserziehung arbeiten musste. 1992 starb sie bei einem Unfall – beim Paddeln auf der Elbe.
Der Stand heute
Laut einer Magisterarbeit von Antje Eilers von 2008 sind an der Hochschule Bremen nur 14 % der Nautik-Studierenden Frauen. Laut einem Artikel auf hamburgschnackt.de (2016?) sind nur 10 von 1.438 deutschen Kapitänen weiblich, also 0,7 Prozent. Auf Kreuzfahrtschiffen gibt es, so schreiben die kreuzfahrtpiraten.de, in Deutschland derzeit etwa zehn Kapitäninnen (2017), und 2012 gab es mit Antje Herbst nur eine deutsche Kapitänin eines Schwergutfrachters.
Übrigens haben auch Maike und Ronald Holst in ihrem (leider derzeit vergriffenen) Buch Blankeneser Frauen ein Kapitel Annaliese Teetz gewidmet.