Die Isländerin war Frauenrechtlerin, Lehrerin, Schulrektorin und die erste Frau im Parlament Alþing. Ingibjörg H. Bjarnason gründete eine Stiftung für den Bau des Nationalkrankenhauses und setzte sich für Mädchenbildung ein.
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Ingibjörg H. Bjarnason wurde am 4.12.1867 in Þingeyri geboren. Dieser Ort liegt in den abgeschiedenen Westfjorden, hatte jedoch damals einiges an Bedeutung, weil er der älteste Handelsplatz der Region war und im späten 18. Jahrhundert amerikanische Fischer dort ihren Stützpunkt hatten.
Ihr Vater Hákon Bjarnason war Kaufmann und Reeder. Als das Mädchen zehn Jahre alt war, kam er bei einem Schiffsunglück ums Leben. Mutter Jóhanna Kristín Þorleifsdóttir blieb allein mit fünf Kindern zurück. Neben Ingibjörg waren das vier Söhne, die später Psychologe, Politiker, Einzelhandelsunternehmer und Linguist/Lehrer wurden.
Umzug nach Reykjavík
Die Mutter führte Reederei und Laden eine Weile weiter, ging dann jedoch in die Hauptstadt Reykjavík. Ingibjörg wurde nach ihrer Konfirmation auf die Reykjavíker Kvennaskólinn („Frauenschule“) geschickt, die es erst seit 1874 gab und als Privatschule geführt wurde. Dort lernte sie vor allem Hauswirtschaft und machte 1882 ihren Abschluss.
In den folgenden zwei Jahren nahm sie Privatunterricht bei Þóra Pétursdóttir, einer bildenden Künstlerin (einer der ersten isländischen Frauen, die Kunst studierten), die ein Buch über isländische Volkslieder herausgab und journalistische Artikel u. a. im von Bríet Bjarnheðinsdóttir herausgegebenen Kvennablaðið („Frauenzeitschrift“) veröffentlichte. Als Tochter des Bischofs und eines der reichsten Männer des Landes war sie allen gut bekannt.
1884 ging Ingibjörg H. Bjarnason zur weiteren Ausbildung nach Dänemark – für junge Männer damals ganz normal, für Frauen weniger. Sie ließ sich am Poul Petersen Institut zur Gymnastiklehrerin nach Pehr Henrik Ling ausbilden. Ihre Mutter kam ebenfalls nach Kopenhagen und führte dort ein Heim für Schülerinnen/Studentinnen, die wie Ingibjörg ohne ihre Eltern zum Lernen den Heimatort oder sogar das Land verlassen mussten.
Tätigkeit als Lehrerin und Schuldirektorin
Zwischen 1893 und 1903 unterrichtete sie Gymnastik in Reykjavík und reiste nach Deutschland und in die Schweiz, um dort mehr über Schulverwaltung zu lernen.
Ab 1903 war sie dann Lehrerin an „ihrer“ Kvennaskólinn und unterrichtete Turnen, Zeichnen, Handarbeiten, später auch Dänisch und Gesundheitswissenschaften. 1906 wurde sie zur Direktorin der Schule ernannt und blieb dies bis zu ihrem Tod im Jahr 1941. Sie wurde von Kolleg:innen für ihre Ausdauer und harte Arbeit gelobt, und die Schülerinnen bewunderten sie ebenfalls. Sie setzte sich stark für ihre Schule ein, reiste wiederholt ins Ausland, um sich weiterzubilden, forderte mehr öffentliche Gelder und fand ein größeres Gebäude samt Wohnheim. Nach und nach führte sie die Fächer Säuglingspflege, Erste Hilfe und häusliche Pflege ein.
Andere Aktivitäten
1911 war Ingibjörg H. Bjarnason Mitgründerin des Lestrarfélag kvenna („Frauenlesevereins“), und auch bei der Gründung des isländischen Handarbeitsvereins war sie dabei.
Politische Karriere
Bereits nach ihrer Rückkehr nach Island wurde sie in der Frauenbewegung aktiv. Ab 1908 durften verheiratete Frauen bei Lokalwahlen wählen und Teil des Stadtrats werden. Am 19. Juni 1915 wurde dann das landesweite Frauenwahlrecht eingeführt. Der 19. Juni ist heute der Frauentag.
Es gab eine große Kundgebung, eine Botschaft an den dänischen König wurde verlesen, eine Parade durchs Stadtzentrum organisiert. Fünf Frauen zogen ins Parlamentsgebäude ein und hielten Reden, auch Ingibjörg H. Bjarnason.
Exkurs: das isländische Parlament
Das isländische Parlament heißt Alþing (oder Althing) und existiert bereits seit der Landnahme im Jahr 930, als sich Menschen aus Norwegen in Island niederließen. Jedes Jahr zur Sommersonnenwende trafen sich die Familien und Clans im Südwesten des Landes in Þingvellir (oder Thingvellir), wo vom Lögberg („Gesetzesberg“) aus rechtliche Entscheidungen verkündigt wurden. Die Zusammenkunft war gleichzeitig auch Volksfest und Heiratsmarkt.
1262 wurde Island doch wieder der norwegischen Krone unterworfen. Ende des 14. Jahrhunderts kam es unter dänische Herrschaft. 1800 wurde das Alþing aufgelöst, 1844 in moderner Form wiederhergestellt. 1918 wurden die Strukturen weiter modernisiert, als Island zu einem unabhängigen Königreich in Personalunion mit Dänemark wurde.
Das war die Zeit von Ingibjörg H. Bjarnason. Die Ausrufung der Republik Island im Jahr 1944 hat sie nicht mehr erlebt.
Bau eines neuen Krankenhauses
Nach Erlangung des Wahlrechts war es eines der größten Anliegen der Frauen und Frauenvereine, den Bau eines neuen Krankenhauses voranzutreiben. Sie gründeten eine Stiftung, die heute noch aktiv ist und deren Vorsitzende damals Ingibjörg H. Bjarnason wurde. 1925 konnte dank ihrer engagierten Geldsammelaktionen mit dem Bau des Landspítali begonnen werden. Der Grundstein wurde von Königin Alexandrine gelegt. Auf ihm steht: „Dieses Haus wurde mit dem Geld gebaut, das isländische Frauen gesammelt haben …, um zu pflegen und zu heilen.“
Als erste Frau im Parlament
1922 trat Ingibjörg H. Bjarnason für eine parteiunabhängige Frauenliste (Kvennalistinn eldri) an, die bei der Wahl auf erfolgreiche 22,4 % kam. Ingibjörg H. Bjarnason zog am 15. Februar 1923 als erste Frau ins Parlament ein.
Sie sagte:
Ich sehe mich selbst als jemanden, die hierherkam, um die Interessen meiner Leute zu schützen, so gut wie ich es kann … Aber natürlich erwarte ich auch, dass es zu Situationen kommen kann, in denen ich besonders die Rechte der Frauen schützen muss.
Und:
Natürlich stehen die ersten Frauen, die Pionierinnen, vor diversen Herausforderungen, nur weil sie Frauen sind … Wenn die Zahl der Frauen im isländischen Parlament zunimmt, verschwindet, dass sie speziell angegriffen werden, weil sie Frauen sind.
Ihre Reden sind heute noch im Wortlaut im Internet abrufbar. Interessanterweise wollte sie damals durchsetzen, dass die Reden der Parlamentarier:innen nicht mehr veröffentlicht werden; sie wollte die Druckkosten sparen. Dabei wären ihre eigenen Reden gar nicht so teuer gewesen, denn sie bestand immer darauf, sich kurzzufassen.
Typisch Frau? „Typisch Frau“ wurde sie jedenfalls auch belächelt, wenn sie ihre Emotionen zeigte, während sie jedoch darauf bestand, sie würde logisch argumentieren und würde keine Lästereien dulden.
Platz am Tisch
Die ersten Frauenrechtlerinnen, so wird im Rückblick analysiert, dachten wohl, dass mit dem Wahlrecht alles gewonnen sei. Sie beklagten sich, dass die Männer sie jedoch nicht „reinlassen“ würden, obwohl Frauen doch aufgefordert werden wollten, wichtige Aufgaben zu übernehmen. Erst später verstanden sie, dass sie selbst weiter um einen Platz am Tisch kämpfen müssen.
Ingibjörg H. Bjarnason wurde später Mitglied der konservativen Íhaldsflokkurinn und später der Sjálfstæðisflokkurinn (Unabhängigkeitspartei), wofür sie von anderen Frauen kritisiert wurde. Das seien doch beides typische Männerparteien. Doch sie schien sich dort wohlzufühlen.
Diskussion um Kindererziehung
Es wurde diskutiert, ob Jungen und Mädchen getrennt zur Schule gehen sollten oder nicht. Die konservative Ingibjörg H. Bjarnason war der Meinung, Mädchen sollten getrennt unterrichtet werden, da nur sie wirklich wüssten, wie Haushalt und Familie funktionieren. Trotzdem sollten die Mädchen mehr als das lernen und die gleichen Rechte haben wie Jungen bzw. Männer.
Ihr Gegner dabei war der sozialdemokratische Jónas frá Hriflu – eine sehr interessante, nicht unumstrittene Politikerpersönlichkeit, für die ich auf Wikipedia verweisen möchte.
Ingibjörg H. Bjarnason setzte sich weiterhin gegen Armut (und die typischen Reykjavíker Kellerwohnungen) ein sowie für Frauenrechte, Bildung und Kunst. 1925 bis 1927 war sie zweite Vizepräsidentin des Oberhauses, 1928 bis 1932 Mitglied des Kultusministeriums. Sie starb im Jahr 1941.
Ehrung
Seit 2015, zum 100-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechts, steht vor dem Parlamentsgebäude eine Statue von Ingibjörg H. Bjarnason, geschaffen von der Bildhauerin Ragnhildur Stefánsdóttir.
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Quellen:
Hver var Ingibjörg H. Bjarnason…?
Kvennasólastjóri, fyrst kvenna alþingismaður: Ingibjörg H. Bjarnason
Málsvari íslenskra kvenna
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Artwork und Musik: Uwe Sittig
Frauenleben-Hosts: Susanne Popp und Petra Hucke
Instagram: https://www.instagram.com/frauenleben.podcast/
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