New Journalism, New Woman – Nellie Bly lebt zu einer Zeit in New York, in der so einiges neu erfunden wird. Und sie ist mittendrin. Ihr erster großer Coup: Sie lässt sich als Investigativ-Reporterin in eine Psychiatrie einweisen. Ihr zweiter, noch größerer Coup: Sie will es schaffen, in weniger als 80 Tagen um die Welt zu reisen. Angelehnt an den beliebten Roman von Jules Verne, selbstverständlich. Und Nellie Bly wäre nicht Nellie Bly, wenn es ihr nicht auch gelänge.

Später übernimmt sie dann noch das Unternehmen ihres verstorbenen Mannes, lässt mehrere Patente anmelden und versorgt ihre Arbeiter à la Google mit Pausenraum und gutem Essen, Tischtennisplatte und Pianoforte.

Als der Erste Weltkrieg ausbricht, ist sie gerade auf dem Weg nach Europa und entscheidet sich, aus dem Kriegsgebiet zwischen Österreich und Serbien wieder als Journalistin zu berichten. Es kommt, wie es kommen muss: Sie wird als Spionin festgenommen …

Bly ist wieder einmal eine dieser Frauen, die mehrere Leben gleichzeitig gelebt zu haben scheint. Ausführlich erzählen wir davon in dieser neuen Folge.

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Quellen:
Brooke Kroeger: Nellie Bly. Daredevil, Reporter, Feminist. Times Books, New York 1994.
Karen Roggenkamp: Sympathy, Madness, and Crime. How Four Nineteenth-Century Journalists Made the Newspaper Women’s Business. The Kent State University Press, Kent, Ohio 2016.

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Wer in Bayern lebt, hat vielleicht schon von ihr gehört: Lola Montez. Sie sorgte von 1846 bis 1848 in München für Furore. Ihr Name ist untrennbar mit der Märzrevolution von 1848 und der Abdankung König Ludwig I. verbunden.

Diese faszinierende, betörend schöne spanische Tänzerin mit dem wilden Temperament war schon zu Lebzeiten eine Legende und zugleich Objekt von Hass und Begierde. Sie bewegte sich in den höchsten Kreisen. Sie verdrehte zahlreichen Männern den Kopf. Doch sie stieß auch auf vehemente Ablehnung, die sich bis zum Volkszorn steigerte.

Heute findet man fast überall auf der Welt Spuren von ihr – und auch von einer gewissen Irin namens Eliza mit wechselnden Nachnamen sowie einer bayerischen Gräfin namens Marie von Landsfeld …

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Ein Gastbeitrag von Stefanie Schlatt

Um es gleich vorwegzunehmen: Lola Montez war eine Kunstfigur, eine künstlich erschaffene Identität, Objekt von Hass und Begierde, ein „exzentrisches Weibsbild“, über das bereits zu Lebzeiten zahllose Zeitungsberichte, Karikaturen, stark ausgeschmückte Anekdoten und Biografien in Umlauf waren. Heute ist diese schillernde Persönlichkeit eine Legende und inspiriert noch immer Künstler:innen und Historiker:innen zu neuen Werken und weiteren Biografien.

Lola Montez Porträt Josef Heigel
Lola Montez: Porträt von Josef Heigel

In Wirklichkeit war Lola Montez keine Spanierin, sondern Irin. Geboren wurde sie am 17. Februar 1821 als Eliza(beth) Rosanna Gilbert in Grange, im irischen County Sligo.

Sie selbst behauptete, dass ihre Mutter einer maurisch-spanischen Adelsfamilie entstammte, und bezeichnete dieses irische und maurisch-spanische Blut als eine „explosive Mischung“, die maßgeblich ihr temperamentvolles Wesen prägte.

Ausgewandert nach Indien

Kurz nach Eliza Gilberts Geburt wanderte die Familie ins indische Kalkutta aus. Dort starb der Vater – ein Leutnant der britischen Ostindienkompanie – bald an der Cholera. Ihre Mutter heiratete daraufhin neu.

Die ersten Jahre in Indien und die dortige nach europäischen Maßstäben recht „wilde“ Lebensweise prägten Eliza nach eigenen Angaben stark. Ihre Mutter und ihr Stiefvater waren jedoch darauf bedacht, sie zu einer gebildeten Dame erziehen zu lassen. Deshalb schickten sie sie im Alter von sechs Jahren nach Europa. Zunächst in die Obhut von Verwandten des Stiefvaters in Schottland und später auf ein Internat in der englischen Stadt Bath. Als verhaltensauffälliges, „missratenes Gör“ eckte sie nicht selten bei anderen an.

Bereits im Alter von 16 Jahren nahm ihr Leben eine verhängnisvolle Wendung, die ihr ganzes späteres Leben prägen sollte.

Einer arrangierten Ehe entkommen

Elizas Mutter pflegte ihrer Tochter gegenüber kein liebevolles Verhältnis. Bald arrangierte sie für ihre junge Tochter eine Ehe mit einem über 60-jährigen hochrangigen Richter.

In ihrer Not wandte Eliza sich an einen Bekannten (möglicherweise Liebhaber) ihrer Mutter, den knapp 30-jährigen Leutnant Thomas James. Er war aus Indien zu einem Genesungsaufenthalt nach Großbritannien gekommen. Doch James nutzte die Situation schamlos aus. Er verführte das Mädchen, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen, die der uneheliche Verkehr mit einem minderjährigen Mädchen nach sich zog. Schließlich waren die beiden gezwungen zu heiraten und wurden 1837 in Irland getraut.

1839 kehrten sie gemeinsam nach Indien zurück. Die Ehe war von Frust und wohl auch Gewalt geprägt. Zu allem Überfluss infizierte Eliza sich wohl mit Malaria, die ihr später immer wieder zu schaffen machte. Sie hatte häufig Kopfschmerzanfälle und Fieberschübe.

Schuldig geschieden

Nachdem Thomas James sich wohl einer anderen Frau zugewandt hatte, beschloss Eliza ihre Rückkehr nach Großbritannien. Bereits auf dem Schiff begann sie selbst ein Verhältnis mit einem jungen Leutnant, das den anderen Passagieren nicht verborgen blieb. Auch ihr Gatte bekam davon zu hören. Dem kam das gerade recht, um die Scheidung einzureichen.

1842 wurde Eliza wegen des erwiesenen Ehebruchs „schuldig“ von Thomas James geschieden . Unter der Auflage, kein zweites Mal heiraten zu dürfen, solange Thomas James noch am Leben war.

Das kam damals einem gesellschaftlichen Todesstoß gleich. Denn sowohl die Aussicht auf eine Versorgungsehe als auch jegliche berufliche Perspektiven waren zerstört.

Schuldig geschiedenen Frauen blieb nur die Möglichkeit, sich in Kunstberufen oder in der Halbwelt den Lebensunterhalt zu verdienen. Zunächst wollte Eliza Gilbert Schauspielerin werden, wurde aber wegen ihres Akzents und ihrer fehlenden Schauspielerfahrung nicht an britischen Bühnen angenommen.

Lola Montez wird geboren

Daher fasste sie kurzerhand den Entschluss, ihr exotisches Aussehen und die damalige Begeisterung für südliche Länder auszunutzen. Kurzerhand reiste sie nach Andalusien. Dort ließ sie sich einige Monate lang in traditionellen Tänzen und der spanischen Sprache unterrichten. Sie warf ihre bisherige Identität über Bord und kehrte 1843 nach England zurück. Und so schlug die Geburtsstunde der berüchtigten spanischen Tänzerin Maria de los Dolores Porry y Montez, kurz: Lola Montez.

Ihr Debüt gab sie 1843 in London, wo sie als Attraktion zwischen Opernakten auftrat.

Lola Montez (1818-1861). Née Marie Dolores Eliza Rosanna Gilbert. Irish dancer and adventuress. Lithograph, 1851, by Nathaniel Currier.
Lola Montez: Lithografie von Nathaniel Currier

Was sie als spanische Tänze präsentierte, war zwar ungemein betörend und durchaus originell und unterhaltsam, aber keinesfalls authentisch. Spanier im Publikum merkten sofort, dass sie keine Spanierin sein konnte. Schon bald wurde sie ihrer wahren Identität überführt. Die Presse verunglimpfte sie mit Freuden als Hochstaplerin.

Ihr blieb daher nichts anderes übrig, als London zu verlassen, um von nun an ihre Tanzkarriere anderswo fortzusetzen.

Einige turbulente Monate lang trat sie – stets mit Empfehlungsschreiben hochrangiger Persönlichkeiten in der Tasche – an verschiedenen Theatern in Europa auf. Durch ihr unkonventionelles Verhalten und auch den ein oder anderen handfesten Skandal sorgte sie für Schlagzeilen. 1844 reiste sie dann mit einem Empfehlungsschreiben ihres Liebhabers, des Pianisten Franz Liszt (einer der größten Stars seiner Epoche), nach Paris.

1844 bis 1846 lebte Lola in der französischen Hauptstadt und verkehrte in intellektuellen Kreisen und Salons. In dieser Zeit unterhielt sie eine Beziehung mit dem einflussreichen Zeitungsverleger Alexandre Henri Dujarrier, der ihr auch ein Engagement am Theater verschaffte. Dieses harmonische Verhältnis nahm jedoch ein jähes Ende: Dujarrier duellierte sich mit einem konkurrierenden Zeitungsverleger wegen einer Lappalie mit Pistolen. Er wurde erschossen.

So verlor Lola nicht nur ihren geliebten Partner, sondern auch ihren Förderer, und entschloss sich, Paris zu verlassen.

Die Affäre Lola Montez

So gelangte sie im Oktober 1846 nach München. Es folgte „die Affäre Lola Montez“, durch die sie in die Geschichte eingehen sollte.

Lola traf in München zufällig einen Bekannten und berichtete ihm von ihren Plänen, am Hoftheater auftreten zu wollen. Dieser Bekannte arrangierte daraufhin für sie eine Audienz beim regierenden König Ludwig I.

Lola Montez Porträt Joseph Karl Stieler
Lola Montez: Porträt von Joseph Karl Stieler

Diesem stellte sie sich, Französisch und Spanisch parlierend, als in Not geratene spanische Adlige Maria de los Dolores Porrys y Montez vor. Der fast 60-jährige König war von ihr hingerissen. Lola inspirierte ihn und er genoss ihre Schönheit und anregende Gesellschaft. Lola wurde nun überall als die Mätresse des Königs bekannt und bezeichnete sich anfangs sogar selbst so (nicht ohne Stolz). Doch nach neuesten Erkenntnissen war die Beziehung eher platonisch als sexuell motiviert.

Von Anfang an war die schrille Lola in München unbeliebt. Die Stimmung gegen sie heizte sich immer mehr auf. Gerüchte häuften sich, der König verschwende Steuergelder in astronomischen Höhen für Geschenke an sie. Noch brisanter war, dass Lola sich in die Politik einzumischen begann. Bayern war seit 1818 (Hinweis: Im Podcast wurde versehentlich 1880 gesagt!) eine konstitutionelle Monarchie. Es dominierten ultramontane (streng päpstlich gesinnte) Kräfte. Lola hatte eine starke persönliche Abneigung gegen Ludwigs streng religiöses und konservatives Ministerium und drängte den König zu liberalen Reformen. Sie setzte sich für sozial Benachteiligte ein und beeinflusste Ludwig auch, wenn es um die Besetzung von Ämtern ging.

Ein Dekret – ein Eklat

1847 wollte König Ludwig ihr das bayerische Indigenat verleihen und sie als Gräfin von Landsfeld in den Adelsstand erheben. Da kam es zum Eklat. Seine Minister votierten fast einstimmig dagegen. Das daraufhin vom König erlassene Dekret wollte der amtierende Innenminister Karl von Abel nicht unterschreiben, um es rechtskräftig zu machen. Stattdessen veröffentlichte er ein Memorandum aller Minister mit deren Argumenten gegen Lolas Einbürgerung in der Zeitung. Diese Provokation veranlasste Ludwig dazu, ihn zu entlassen. Daraufhin formierte sich ein neues, liberaleres Ministerium, das Lola dann auch die Staatsbürgerschaft und den Adelstitel zuerkannte. Auch in diesem Ministerium wurden danach noch einmal zu ihren Gunsten Posten neu besetzt.

Diese Entwicklungen sorgten für hellen Aufruhr in der Stadt. Schließlich führten sie zu Krawallen zwischen konservativen und liberalen Studenten der Münchner Universität. (Einige Studenten einer Burschenschaft hatte Lola schon länger als ihre „Lolamannen“, eine Art Leibgarde, um sich geschart. Mit mindestens einem davon hatte sie auch eine Affäre.)

Als König Ludwig daraufhin im Februar 1848 die Schließung der Universität anordnete, brach ein Volkstumult aus. Ein aggressiver Mob zog zu Lolas Palais in der Barerstraße, um sie aus der Stadt zu vertreiben. Schließlich sah Ludwig keinen anderen Ausweg mehr, als Lola aus Bayern auszuweisen. Kurz darauf kam es zur Märzrevolution von 1848 und er dankte ab.

Lola Montez Antoine-Samuel Adam-Salomon
Lola Montez: Porträt von Antoine-Samuel Adam-Salomon

Lola ging daraufhin in die Schweiz, wo Ludwig noch einige Male versuchte sie zu treffen. Er unterstützte sie auch noch eine Weile finanziell. Doch mit zunehmender emotionaler Distanzierung von ihr (und nach einem Erpressungsversuch durch einen neuen Liebhaber) stellte er die Zahlungen und den Kontakt ein.

Eine zweite Versorgungsehe

Daraufhin heiratete Lola (mit ihrer neuen Identität als Gräfin von Landsfeld) in London ein zweites Mal, um gut versorgt zu sein. Doch der sieben Jahre jüngere George Trafford Heald hielt es nicht lange mit ihr aus. Zudem kam dessen Tante hinter Lolas wahre Identität und klagte sie der Bigamie an. Die Ehe wurde annulliert und das Paar zerstritt und trennte sich kurz darauf ohnehin.

Inzwischen war Lola durch die Affäre in München weltbekannt. Sie beschloss, diese Episode ihres Lebens auf die Bühne zu bringen und sich fortan als Kultfigur selbst zu vermarkten. 1851 ging sie nach New York und kreierte für den Broadway die Revue „Lola Montez in Bavaria“.

Karriere in den USA und Australien

Ihre zehn letzten Lebensjahre verbrachte Lola überwiegend in den USA, zunächst als Theaterunternehmerin, später auch als Schauspielerin und weiterhin als Tänzerin. Zwei Jahre lang lebte sie sehr bescheiden in einer kleinen Goldgräberstadt. In dieser Zeit war sie mit einem Zeitungsherausgeber namens Patrick Hull verheiratet. Er ließ sich jedoch nach knapp einem Jahr von ihr scheiden (diese Scheidung wurde im Podcast nicht erwähnt). Danach unternahm sie mit ihrer Schauspieltruppe Tourneen in Australien, wo sie sich erfolgreich gegen Anfeindungen sittenstrenger Zeitungskritiker wehrte. Beim Publikum konnte sie unter anderem mit ihrem skandalösen „Spider Dance“ (bei dem sie unter ihren Röcken nach einer Spinne suchte) Erfolge verbuchen.

Lolas letzte Jahre

Bei der Rückkehr in die USA ertrank ihr Kollege und neuer Liebhaber Frank Folland. Nach diesem Schicksalsschlag zog Lola sich vom Theater zurück. Stattdessen begann sie in den USA (später auch noch einmal kurz in Europa) Vorträge zu halten. Darin teilte sie ihre Lebenserfahrung und ihre Ansichten zu bestimmten gesellschaftlichen Themen. Endlich lüftete sie auch die letzten Geheimnisse um ihre Identität. 1860 erlitt Lola Montez einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholte. Sie starb 1861 in New York an einer Lungenentzündung und liegt als Eliza Gilbert auf einem Friedhof in Brooklyn begraben.

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Quellen:
Krauss, Marita: „Ich habe dem starken Geschlecht überall den Fehdehandschuh hingeworfen“ – Das Leben der Lola Montez, Verlag C.H. Beck, München 2020
Chronologische Kurzbiografie
Fürst Heinrich LXXII
Gräfin von Kainsfeld
Anekdote „Lolus
Gedicht „Die Andalusierin“, König Ludwig I. von Bayern, aus: Aretz, Gertrude: Die elegante Frau, eine Sittenschilderung vom Rokoko bis zur Gegenwart, Grethlein & co. Leipzig, 1929, zitiert nach Projekt Gutenberg (aufgerufen am 4.12.2021)

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Sofja Kowalewskaja war Mathematikerin, Revolutionärin und Schriftstellerin. 1850 in Moskau als Tochter eines russischen Landadligen geboren, wurde sie in ihrer Jugend Teil der nihilistischen Bewegung in St. Petersburg und ging eine Scheinehe ein, um in Deutschland studieren zu können. Sie gewann mit dem Prix Bordin eine der höchsten Auszeichnungen in Mathematik und erhielt in Stockholm als erste Frau in Europa eine Mathematikprofessur. Ihr größter Wunsch, in ihrer russischen Heimat lehren und arbeiten zu können, blieb unerfüllt. 

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In ihren Jugenderinnerungen zeichnet sie ein leicht skurriles Bild ihrer Kindheit. Da gibt es Kindermädchen und Gouvernanten, die ihre Machtposition ausnutzen, um die Geschwister gegeneinander auszuspielen, einen distanzierten Vater und eine noch weiter entfernte Mutter, Verwandte, die kommen und gehen – oder sich auch wochenlang einnisten, einen Hauslehrer, der sich selbst im Nachhinein als wichtig für die Entwicklung des genialen Kindes beschriebt, von der kleinen Sofia jedoch offenbar kaum wahrgenommen wird, und das alles in der Abgeschiedenheit eines russischen Landsitzes mit dem poetischen Namen Palibino. 

Begeisterung für Mathematik und Physik

Mit 18 Jahren kehrt sie dieser Welt den Rücken. Sie weiß bereits, dass sie Mathematik studieren will und eine besondere Begabung für das Fach hat. Trotzdem widmet sie sich einige Semester lang auch der Medizin und der Physik. Die Scheinehe mit dem später als Paläontologen bekannt gewordenen Wladimir Kowalewski, der sie zuerst nach Heidelberg und dann nach Berlin begleitet, erweist sich als spannungsreich. Was als rein kameradschaftliches Verhältnis geplant war, wird zu einer komplizierten Beziehung und zu einer lebenslangen Zerreißprobe für beide. 

Sofja Kovalevskaja | © Mittag-Leffler-Institut Djursholm/Schweden

Ab 1870 studiert Sofja Kowalewskaja – unterstützt mit Geld ihrer Familie – privat beim Mathematiker Karl Weierstraß in Berlin, da sie als Frau keine Zulassung an der Universität erhält. Sie und Wladimir reisen viel herum und haben viel Kontakt zu den intellektuellen Geistesgrößen dieser Zeit, und insbesondere Sofja erlangt eine gewisse Berühmtheit. Einen engen Kontakt pflegt sie auch zu ihrer sieben Jahre ältere Schwester Anjuta, die sich in diesen Jahren hauptsächlich der Revolution in Frankreich verschreibt.1874 ermöglicht Weierstraß Sofja die Promotion in Göttingen.

Berufsverbot und finanzielle Probleme

Danach kehren sie und ihr Mann nach Sankt Petersburg zurück, wo ihr jegliche ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung versagt wird. Abgesehen davon, dass sie als Frau nicht an einer Universität lehren darf, stammen beide aus dem Milieu der russischen Nihilisten. Die revolutionären Bestrebungen, die sich gegen das zaristische Russland richten, machen es ihnen unmöglich, in ihrer Heimat wieder Fuß zu fassen. Die beiden betreiben einen Salon, werden Eltern und Sofja versucht sich mit einigem Erfolg als Schriftstellerin, doch 1879 sind sie finanziell am Ende und 1883 nimmt sich Wladimir, der das verbleibende Vermögen durch Immobilien-Spekulationen verloren hat, das Leben. Er lässt seine Frau allein mit der fünfjährigen Tochter zurück.

Sofja wendet sich wieder der Mathematik zu. Mit einem Vortrag auf einem Kongress in Petersburg erregt sie das Aufsehen des Schweden Mittag-Leffler, auch er ein Weierstraß-Schüler wie sie, der beschließt, ihr zu einer Universitätslaufbahn zu verhelfen. Vier Jahre später geht sie als Privatdozentin nach Stockholm, doch sie muss auf Gehalt verzichten, um arbeiten zu dürfen. Erst mit Verzögerung bekommt sie ab 1884 eine Anstellung als außerordentliche Professorin für Mathematik an der Universität Stockholm. 1888 erhält sie den Prix Bordin, eine der höchsten Auszeichnungen in Mathematik. Wegen der Eleganz der Ausführungen wird das Preisgeld von 3000 Francs auf 5000 Francs erhöht. 1891 stirbt sie in Stockholm an einer Lungenentzündung. 

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Literatur: 

Ann Hibner Koblitz: A Convergence of Lives, Birkhäuser Boston Inc. 1983

Sonja Kowalewski: Jugenderinnerungen. S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 1968

Anna Maria Stuby: Sofja Kovalevskaja – „Prinzessin der Naturwissenschaften“. Ein Beitrag zur Entheroisierung. Aus der Zeitschrift „Feministische Studien“, 2017 

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Empfehlung:

Erzählung von Alice Munro über Sofja Kowalewskaja: Zu viel Glück. Veröffentlicht in Alice Munro, Zu viel Glück, Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2011 

Eine Quellensammlung findet sich auch unter https://www.cordula-tollmien.de

Wir erwähnen die Folge über Laura Bassi

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Angst habe sie nie gehabt, sagte die Französin Marie Marvingt in einem Interview. Sie war Pilotin im Krieg und im Frieden, sie war Krankenschwester, Erfinderin des Luftrettungsdiensts, Extremsportlerin – und wohl ein Adrenalinjunkie.

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Marie Marvingt in Deperdussin aeroplane 1912
Marie Marvingt in einem Deperdussin-Flugzeug, 1912

Nachdem ich die Biografie von Rosalie Maggio gelesen hatte, fragte ich mich, wie diese Marie Marvingt all das, was sie getan und erlebt hat, in einem einzigen Leben unterbringen konnte. Und wie sollte ich es nun alles in eine Podcastfolge stopfen? Schon allein der Gedanke war erschöpfend 😉

Marie Marvingt
Marie Marvingt

Marie Marvingt war das Sinnbild der New Woman, die genau in der Zeit ins Leben gerufen wurde, in der (einzelne) Frauen sich bereits genug Freiheiten nehmen konnten, um ihre Träume zu verwirklichen, und in der ihnen auch die Voraussetzungen zur Verfügung standen, um Erfolg zu haben. In Marvingts Fall waren das vor allem die Technik – Automobile, Fahrräder, die ersten Flugzeuge.

Dazu gehörte ein unbedingter Wille, alles zu erreichen und immer das Beste zu geben.

Verblüffenderweise wurde sie dabei von der Öffentlichkeit stets unterstützt. Die Presse war ihre beste Freundin: Sie gab ihr ehrenvolle Spitznamen wie die „Verlobte der Gefahr“, die „wichtigste Frau in Frankreich seit Jeanne d’Arc“ und „Leonardo da Vinci im Rock“.

Marie Marvingt by Emile Friant 1914
Marie Marvingts Flugambulanz, Zeichnung von Emile Friant (1914)

Was diese Frau alles erlebt und ausprobiert hat, erfahrt ihr in dieser Folge.

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Empfehlung:
Der Film The Aeronauts (2019) mit Felicity Jones und Eddie Redmayne

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Quellen:
Rosalie Maggio: Marie Marvingt, Fiancée of Danger. First Female Bomber Pilot, World-Class Athlete and Inventor of the Air Ambulance. McFarland & Company 2019.

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Die Frankfurterin heiratete einen Kaufmann, bekam fünf Kinder, wurde früh Witwe und musste sich dann ganz allein um Ausbildung, Haushalt, Finanzen und ein Unternehmen kümmern. Friederike Ronnefeldt wurde 99 Jahre alt. Die Firma, die ihr Mann Johann Tobias Ronnefeldt gegründet hat, gibt es heute, 200 Jahre später, immer noch.  

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Die Eckdaten ihres langen Lebens sind bekannt. Es gibt einen Stammbaum, einige Briefe und Fotografien sind erhalten geblieben. Und trotzdem ist es nicht einfach, aus diesen Puzzlesteinen ein ganzes Leben zusammenzusetzen – oder einen Roman. Für die Geschichte um „Die Teehändlerin“ habe ich daher viele weitere historische Quellen hinzugezogen, die in dieser Podcast-Folge zur Sprache kommen. Frankfurt im Jahr 1838, das war eine ausgesprochen lebendige Handelsstadt, Sitz der Deutschen Bundesversammlung und ein Stadtstaat, der sich selbst regierte.

Die Bürger waren selbstbewusst, gründeten unzählige Vereine und hatten regen Anteil am kulturellen und politischen Leben. Hauptsächlich galt dies allerdings für die Männer, denn für Frauen war gerade die Zeit des Biedermeier eher mit einem Rückzug in den häuslichen Bereich verbunden. Ich stelle einige Frauen vor, die zur selben Zeit wie Friederike in Frankfurt gelebt haben, und auch die Bedeutung des Tees und des Teehandels kommt in dieser Episode zur Sprache. Einige Zitate aus Originalbriefen von Tobias und Friederike vermitteln einen schönen Eindruck vom damaligen Alltag.

Friederike Ronnefeldt (Abbildung Firma Ronnefeldt)

Eine sehr frühe Anzeige von J. T. Ronnefeldt, mit der er in der Zeitung seine Waren anpreist

Neue Kräme, Frankfurt, 1854
(Aquarell von Theodor Reiffenstein)

Tobias-Ronnefeldt-1
Porträt von Johann Tobias Ronnefeldt (1794 bis 1845)

Tipps und Hinweise

Petra Hucke liest am 28. September 2021 um 19 Uhr in Mühlhausen, Thüringen

Susanne Popp ist am 23. Oktober bei den OpenBooks in Frankfurt dabei

und außerdem am 30. Oktober 2021 bei Zürich liest

In der Episode erwähnen wir Bianca Walther, Podcast Frauen von damals, Folge 8, von Olympe bis Helene: Streifzug durch 100 Jahre Frauenbewegung

Cäcilie Marianne Gontard, Porträt auf frankfurterfrauenzimmer.de

Goethe und der Ginkgo

Quellen:

Im Nachwort zu „Die Teehändlerin“ werden zahlreiche Quellen genannt, die für den Roman und für die Episode verwendet wurden

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Die deutsche CDU-Politikerin war die erste Frau, die in der Bundesrepublik Deutschland das Amt einer Bundesministerin innehatte. Sie schrieb gegen die Nationalsozialisten an und setzte sich für die Reform des Familienrechts ein. Als Bundesgesundheitsministerin leistete sie Pionierarbeit auf dem Gebiet der Gesundheits- und Umweltpolitik.

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Ihr Elternhaus ist liberal eingestellt. Die Mutter, eine Lehrerin, und vor allem die Tante sind von der Frauenbewegung der 1880er Jahre beeinflusst. Elisabeth besucht die Schillerschule in Sachsenhausen, die als eine der besten Mädchenschulen Deutschlands gilt. 

Der Vater wird Oberschulrat und sitzt als Abgeordneter der Deutschen Volkspartei in der Weimarer Republik im preußischen Landtag. Er lebt seiner Tochter politisches Engagement vor, streitet für die Themen, die ihn bewegen und beschäftigen. Die selbstverständlich gleichberechtigte Lebensweise der Eltern prägt Elisabeth sehr. Gleichzeitig fragt sie sich, wie man die Rolle der Frau den neuen Gesellschaftsformen so anpassen könnte, dass sie Kinder haben und doch mit gleichen Entwicklungschancen leben könnte wie ein Mann. Es wird das Thema ihres Lebens. 

Lehrerin, Juristin, Kirchenbeamtin

Mit 19 Jahren hat sie ihr Abitur in der Tasche und will studieren, es zieht sie zum Journalismus. Der Vater empfiehlt ihr, Lehrerin zu werden. Ein Jahr später legt sie am Oberlyceum ihr Examen für Volks- und Mittelschulen ab, entscheidet sich aber dann, Jura zu studieren und Jugend- oder Vormundschaftsrichterin zu werden. Sie besucht Verhandlungen an Frankfurter Gerichten, Verhandlungen, die etwas Neuartiges haben, da der einfühlsame Richter sich für die Beweggründe der jungen Gesetzesbrecher interessiert. Der Geist der Güte, so sagt sie es selbst, durchweht den Gerichtssaal und sie ist sich nun sicher, dass dies ihr Beruf werden soll. 

Elisabeth Schwarzhaupt. Erste Bundesministerin Deutschlands
©ACDP

Dann kommen die Nazis an die Macht und alles anders als geplant. Elisabeth Schwarzhaupt liest Hitlers Schriften. Sie ist entsetzt, «und zwar wegen seines Niveaus, wegen dieser primitiven demagogischen Art, dass ich sagte, das darf doch nicht sein, dass dieser Mann eine große politische Rolle in Deutschland spielt.» In der Folge tritt sie in die DVP ein. Sie schreibt Broschüren und hält Vorträge, die die frauenfeindliche Haltung der Nationalsozialisten, ihre rein männlich ausgelegten Strukturen und ihr dümmliches Frauenbild zum Thema haben. Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die keine Frauen im Richteramt dulden, muss sie sich beruflich neu orientieren. 

Diese Chance bietet ihr die evangelische Kirche. Am 1. April 1939 wird sie zur Oberkirchenrätin ernannt und verbeamtet. Nach Kriegsende wechselt sie ins kirchliche Außenamt der EKD. Sie befasst sich mit dem Thema Abtreibung, die damals noch streng unter Strafe steht und wirft die Frage auf, ob es nicht erlaubt sein sollte abzutreiben, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Schwangerschaftsabbrüche aus anderen Gründen werden von der evangelischen Kirche allerdings damals noch rigoros abgelehnt. 

Die erste Frau in einem Ministeramt 

1953 kandidiert sie zum ersten Mal für den Bundestag, nachdem sie vier Jahr zuvor ein entsprechendes Angebot noch abgelehnt hat. Im zweiten Anlauf, vier Jahre später, gewinnt sie ihren Wiesbadener Wahlkreis. Im Jahr 1954 hält sie ihre erste Rede im Plenum zum Thema Änderung des Familienrechts. 

Elisabeth Schwarzhaupt im Bundestag
@ACDP

 Ich glaube, dass ich mit meinem Eintritt in das Kabinett, wenn auch als Alibifrau, eine Tür für die Frauen geöffnet habe, die nicht mehr zugeschlagen werden konnte.

Elisabeth Schwarzhaupt

Gleichstellung von Männern und Frauen ist ihr Thema und immer wieder auch die rechtliche Situation von Kindern. Beispielsweise setzt sie sich dafür ein, dass unehelich geborene Kinder den ehelich geborenen rechtlich gleichgestellt werden. 

1961 wird sie trotz Adenauers anfänglichem Widerstand gegen eine Frau in seinem Kabinett Ministerin. Das Familienministerium bleibt jedoch dank des Einsatzes mächtiger konfessioneller Gruppen einem verheirateten Katholiken vorbehalten. Für die unverheiratete Protestantin Elisabeth Schwarzhaupt wird das Amt des Gesundheitsministeriums neu geschaffen. Sie gestaltet es so aus, dass es auch Themen wie Verbraucher- und Umweltschutz umfasst. Die Umweltpolitik, die sie schon 1961 angestoßen hat, wird später der sozialliberalen Koalition ab 1971 zugeschrieben. 

Zu den Dingen, die sie auf den Weg gebracht hat, gehören das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Lebensmitteln, die Kennzeichnung von Fremdstoffen in Lebensmitteln, eine Umweltschutzverordnung zur Reinhaltung des Wassers und der Luft und eine Reform des Arzneimittelgesetzes. 

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Quelle:

Harald Ille: „In diesem Kreise sind auch Sie ein Herr“ – Elisabeth Schwarzhaupt, erste Ministerin der Bundesrepublik. In: Frankfurter Frauengeschichte(n), Societätsverlag 2017.

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Maria Sibylla Merian war Malerin und Insektenforscherin – in einer Zeit, in der Frauen in den Wissenschaften nichts zu suchen hatten und Insekten als Teufelsbrut galten.

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Ihr Nachname ist bekannt: Maria Sibyllas Vater war Matthäus Merian der Ältere (1593–1650), Schweizer Kupferstecher und Verleger, der bis heute für seine Städteansichten, Landkarten und Chroniken bekannt ist. Das Haus Merian war einer der größten europäischen Verlage, ansässig in Frankfurt am Main, das auch damals schon als Zentrum des Buch- und Verlagswesens galt. Sogar zweimal jährlich fand eine geschäftige Buchmesse statt.

Matthäus Merian der Ältere

Kindheit mit Puffärmelchen

Maria Sibylla wird am 2. April 1647 geboren. Der Dreißigjährige Krieg neigt sich doch endlich dem Ende zu. Die Hälfte der Bevölkerung ist tot, Seuchen toben durch Deutschland, die Überlebenden hungern. Angeblich kommt es sogar zu Fällen von Kannibalismus. Menschen strömen in die Städte in der Hoffnung auf Arbeit. Gleichzeitig breitet sich der Pietismus aus, eine mystisch-erbauliche, schwärmerische Strömung, die auf Verinnerlichung setzt und das Urchristentum wiederherstellen möchte.

Seit 1645 ist Johanna Sibylla Heim die zweite Frau des Matthäus Merian. Sie gilt als tugendsam, fromm und in Gelddingen kompetent. Maria Sibylla hat ältere Halbgeschwister, unter anderem Matthäus den Jüngeren (1621 geboren) und Caspar (1627), die nach dem Tod des Vaters den Verlag weiterführen. Matthäus der Ältere stirbt nämlich schon, als Maria Sibylla erst drei Jahre alt ist. Kurz zuvor soll er ausgerufen haben: Bin ich schon nicht mehr da, so wird man doch sagen: Das ist Merians Tochter. Eine schöne – und wahre – Prophezeiung.

Sie gilt als sein Lieblingskind, und einem von Matthäus dem Jüngeren gemalten Familienporträt wird sie nachträglich hinzugefügt – anders als die griechisch gewandete Familie jedoch im zeitgenössischen Kleid mit Puffärmelchen. In den Armen hält sie den riesigen Kopf einer Laokoon-Statue aus dem Louvre, die aber angeblich nichts weiter zu bedeuten hat, als dass der Maler sagen wollte: Schaut her, ich war in Paris.

Matthäus Merian d. J.: Familie des Künstlers

Laut Matthäus dem Jüngeren ist Johanna eine „Stiefmutter wie sie im Buche steht“. Mit einem Blick auf seine Autobiografie lässt sich allerdings auch sagen, dass er nicht unbedingt der netteste aller Stiefsöhne war … Sie werden streng religiös erzogen, Arbeit gilt als die höchste Tugend, und somit hat Johanna wohl auch einfach keine Zeit, ihre Kinder zu verhätscheln.

Ein neuer Stiefvater und eine unwiderstehliche Tulpe

Nach dem Tod ihres Mannes bekommt sie von ihrem Stiefsohn widerwillig ein kleines Erbe ausbezahlt und zieht mit Maria Sibylla ins Stadtzentrum von Frankfurt, wo sie ein kleines Haus mietet. 1651 heiratet sie Jacob Morell (ein Mann mit vielen Schreibweisen), einen Blumenmaler mit Kontakten in die Niederlande,  wo gerade die Tulpenmanie wütet. Er richtet im Haus eine Werkstatt ein, die die kleine Maria Sibylla immer wieder anzieht. Selten geht sie ihren Bruder Caspar in der Druckerei des Verlages besuchen, ansonsten sind die Kontakte zur Familie Merian kaum noch vorhanden.

Sie geht in die Schule – nicht selbstverständlich für Mädchen zu dieser Zeit, lernt Rechnen, Schreiben, Lesen, aber kein Latein, das für ihr frühes Interesse an den Naturwissenschaften eigentlich unabdingbar gewesen wäre. Denn Insekten haben es ihr angetan. Sie will sie allerdings nicht nur tot oder in Büchern studieren, sondern in der lebendigen Natur.

Dafür richtet sie sich heimlich auf dem Dachboden eine kleine Forschungsstation her, mit Dosen, Schachteln und Gläsern voller krabbelnder, kreuchender, fleuchender Insekten. Ob das wirklich so war? Das Haus war winzig, die Türen standen immer offen, Menschen gingen ein und aus. Wahrscheinlich hätte sie so etwas vor ihrer Mutter nicht geheim halten können. Und dann ist da noch die Anekdote mit dem Tulpenklau: Ein reicher Nachbar hat viel Geld ausgegeben und sich im Garten Tulpen angepflanzt. Maria Sibylla pflückt sich eine der Blumen (je nach Quelle auch das gesamte Beet), um sie zu malen. Als der Nachbar es herausfindet, gibt es ein großes Donnerwetter. Maria Sibylla gesteht, dass sie unbedingt die wunderschönen Blüten malen wollte. Ungläubig lässt der Nachbar sich das Aquarell zeigen – und ist so begeistert von Maria Sibyllas Talent, dass er ihr nicht mehr böse sein kann.

Ausbildung zur Kupferstecherin – es bleibt in der Familie

Nun erhält sie auch einen eigenen Arbeitsplatz in der Werkstatt des Stiefvaters. Damals ist es gar nicht unüblich, dass die Frauen der Handwerkerfamilien mitarbeiten. Da Jacob Morell viel verreist, wird ihr der achtzehnjährige Abraham Mignon als Lehrer zugewiesen. Er bringt ihr bei, wie sie Aquarellfarben herstellt, welche Maltechniken es gibt, wie Kupferstiche entstehen, wie sie Gemälde komponiert.

Mit einem eisernen Grabstichel, befestigt an einem hölzernen Griff, vorne spitz, ritzt er feine Linien in die große, polierte Kupferplatte, die vor ihm schräg auf einem Pult liegt. Immer wieder vergleicht er mit der gezeichneten Vorlage. Für breitere Linien oder Flächen nimmt er ein vorne breiteres, rundes oder flaches Werkzeug. Mit einem Schaber entfernt er die kleinen, aufgeworfenen Kupferspäne entlang der Linien. Die so hergestellten Vertiefungen der Platte sollen später, beim Druck, die schwarze Farbe aufnehmen. Je tiefer die Linie, so erklärt er ihr, desto dunkler erscheint sie auf dem Papier. Hellere oder dunklere Schattierungen erreicht er durch engeren oder weiteren Abstand der Linien.

Helmut Kaiser, Maria Sibylla Merian: eine Biographie, S. 39.

Inzwischen geht es der Gesellschaft besser. Nach dem langen Krieg können die Menschen sich endlich wieder etwas gönnen. Seide gehört zu den größten Luxusartikeln, und ihre Herstellung ist in Europa noch gar nicht allzu lang bekannt. Mit dreizehn Jahren bekommt Maria Sibylla deshalb von einem Bekannten Seidenraupen geschenkt. Ihre Leidenschaft ist endgültig geweckt. Allerdings nicht für das Luxusgut Seide, sondern für die Entwicklung der Insekten, vom Ei über die Raupe und den Kokon bis hin zum wunderschönen Falter.

Sie beginnt mit einer wissenschaftlich fundierten, systematischen Erforschung der Insekten, findet heraus, welche Futterpflanzen sie brauchen, wie lange sich welche Art verpuppt und dass aus hübschen Raupen nicht immer unbedingt die hübschesten Schmetterlinge entstehen. Fast ein ganzes Jahrhundert vor Carl von Linné notiert sie ihre Beobachtungen und nimmt zum Beispiel bereits die Einordnung in Tag- und Nachtfalter vor.

Sommervögelein und Mottenvögelein

Ihre geliebten Schmetterlinge nennt sie Sommervögelein, die Nachtfalter Mottenvögelein. Damals hießen diese Tiere meist noch Butterfliegen (im Englischen heute noch butterflies) – das Wort Schmetterling hat denselben Ursprung wie das Wort Schmand, denn damals glaubt man, dass Hexen sich gern in Schmetterlinge verwandeln und die Milch ranzig machen … Die schlimmste Zeit der Hexenverfolgung ist zwar zu Maria Sibyllas Zeiten schon vorbei, aber leicht hat es ihr der Aberglaube bestimmt nicht gemacht. Zudem meint man auch, dass Insekten generell aus Morast und Exkrementen entstehen und somit reine Teufelsbrut sind. (Es wurden sogar einige Insekten vor Gericht verurteilt, damit sie bestraft und ihnen der Teufel ausgetrieben werden konnte.)

Von ihrer speziellen Insektenleidenschaft aber einmal abgesehen, ist das Sammeln von Pflanzen usw. eigentlich gar nicht so schlecht angesehen, genauso wie das Beobachten der Sterne. Weiberarbeit, von Rousseau empfohlen, damit die Frauen nicht stattdessen auf schlimmere Gedanken kommen. (Seltsam, oder? Ist nicht gerade die Natur voll von Schweinereien und Sex?)

Mutter Johanna ist nicht besonders begeistert, aber der Stiefvater unterstützt sie. Außerdem ist da noch die Sache, dass Johanna sich vielleicht selbst die Schuld gibt an der seltsamen Leidenschaft ihrer seltsamen Tochter. Beim sogenannten Versehen geschieht es nämlich, dass eine Frau, die sich, während sie schwanger ist, zum Beispiel vor einem Hasen erschrickt, ein Kind mit Hasenscharte zur Welt bringt. Und Johanna hat während ihrer Schwangerschaft eine alte Truhe geöffnet, in die sich jede Menge Insekten verkrochen hatten. Darüber ist sie so erschrocken, dass die ungeborene Maria Sibylla vielleicht Schaden genommen hat …

Maria Sibylla muss ein introvertiertes Kind gewesen sein, das viel Zeit allein verbringt. Ihr Halbbruder Caspar ist viel unterwegs, Morell und Mignon genauso.

Maria Sibylla heiratet und wird von der Merianin zur Gräffin

Im Jahr 1665 ist sie achtzehn. Ein ehemaliger Schüler ihres Stiefvaters kehrt aus Italien zurück, wo er sich zum Architekturmaler hat ausbilden lassen. Andreas Graff kommt ursprünglich aus Nürnberg und ist zehn Jahre älter als Maria Sibylla.

Noch im gleichen Jahr heiraten sie. Es scheint für beide Seiten eine willkommene Ehe zu sein: Maria Sibylla darf weiter forschen und malen, er hingegen ist wohl ein bisschen faul und undiszipliniert und kann sich an ihrer Selbstständigkeit und ihrem Selbstbewusstsein festhalten. Außerdem hofft er vielleicht, dass ihm die Kontakte zum Verlagshaus Merian helfen. Die ja aber leider kaum vorhanden sind.

Im Jahr 1668 kommt die erste Tochter zur Welt, Johanna Helena. Zwei Jahre später ziehen sie nach Nürnberg, mit 25.000 Einwohnern eine enge Stadt, deren goldene Zeiten mit Dürer usw. jedoch vorbei sind. Hier wird Maria Sibylla aktiv: Sie eröffnet eine Stick- und Malschule für junge Patrizierinnen und Töchter aus Künstlerfamilien und nennt sie die Jungfern-Company. Sie zieht einen Farbenhandel hoch, verkauft Stickvorlagen und bemalte Stoffe (zum Beispiel Tischdecken). Außerdem gibt sie ihr erstes Blumenbuch heraus, bei der ihr laut Danksagung ihr „Eheliebster“ geholfen hat. Im Jahr 1678 wird die zweite Tochter geboren, Dorothea Maria, ganze zehn Jahre nach der ersten. Es bleibt bei zwei Kindern – für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich.

Die erste Veröffentlichung

Ihr erstes kleines Wunderwerk ist das Buch Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung, ganz elegant mit Ganzledereinband und Goldschnitt – und dem Hinweis „Tochter des M. Merian“. Je nach Geldbeutel kann es unkoloriert, teilkoloriert oder koloriert bestellt werden. Obwohl sie inzwischen Latein gelernt hat, entscheidet sie sich für eine Veröffentlichung auf Deutsch, damit alle es lesen können. Das Besondere bereits an ihrem Werk ist die Darstellung ökologischer Zusammenhänge und der Metamorphose der Insekten. Maria Sibylla denkt holistisch.

Als 1681 der Stiefvater stirbt, kehrt die Familie nach Frankfurt zurück. Maria Sibylla kümmert sich um ihre alternde Mutter, geht aber auch den gleichen Unternehmungen nach wie in Nürnberg. Vier Jahre später trennt sich das Ehepaar, und Andreas Graff zieht allein nach Nürnberg zurück. Sie bittet jedoch in einem Brief eine Freundin, sich um ihn zu kümmert, scheint ihm also trotz der Trennung noch wohlgesonnen.

Dann kehrt Maria Sibylla auch Frankfurt den Rücken. Sie zieht mit ihrer Mutter und ihren Töchtern nach Schloss Waltha in den Niederlanden (Westfriesland). Dort lebt bereits ihr Halbbruder Caspar in einer Labadisten-Gemeinde. Die Niederlande sind ein stark bevölkertes und im Vergleich zu Deutschland religiös sehr freies Land.

Living la vida Labadista

Der Franzose Jean de Labadie (1610–1674) war Pietist, predigte gegen Üppigkeit und Unsitten, gegen Tanz, Glücksspiel und luxuriöse Kleidung, gegen Besitz allgemein. Er wurde als eine Art zweiter Calvin bezeichnet. Dabei gab er jedoch immer nur Ratschläge und empfahl meditative Übungen – Dogmen verbreitete er nicht. Maria Sibylla ist zwischen solchen Strömungen aufgewachsen, sodass diese Hinwendung nicht aus dem Nichts kommt.

Schloss Waltha gehört Cornelis von Aerssen von Sommeldijk, dem Gouverneur von Surinam. Zur Orientierung: Surinam liegt in Südamerika, nördlich von Brasilien und ist etwa halb so groß wie Deutschland heute. Die Niederlande haben es gegen Neu-Amsterdam (das heutige New York) eingetauscht und wegen des Reichtums an Zuckerrohr kolonisiert. Der Familie von Sommeldijk gehört zeitweise ein Drittel des ganzen Landes. Drei von Cornelis’ Schwestern leben ebenfalls in der Sekte. Insgesamt sind es rund 350 Leute, als Maria Sibylla dort ankommt. Nachfolger von Labadie ist der weniger beliebte Pierre Yvon.

Maria Sibylla ordnet sich der Gemeinschaft jedoch auch hier nicht ganz unter – genauso, wie sie schon ihr Leben lang nicht allen Konventionen getrotzt oder offen dagegen rebelliert hat und trotzdem immer ihren eigenen Weg verfolgt hat. Sie lernt weiter (auch Holländisch), gibt ihren Töchtern eine gründliche künstlerische Ausbildung und erstellt ein Studienbuch mit Vorlagen für ihre späteren Werke.

Vier Jahre später stirbt Caspar. Prompt kommt Andreas Graff angereist, der Maria Sibylla bittet, doch wieder mit ihm zu kommen. Aber sie sagt Nein, ihre Töchter ebenso. Unverrichteter Dinge reist Graff wieder ab. Offiziell geschieden wird die Ehe jedoch erst sechs Jahre später, als er eine andere Frau heiraten möchte.

Aus dem Kokon hinaus in die Welt

Maria Sibyllas Zeit der Verpuppung (dieses Bild bietet sich einfach an …) endet 1690, als ihre Mutter stirbt und der Gouverneur von Sommeldijk in Surinam gewaltsam getötet wird. Die Zukunft des Schlosses ist ungewiss, und die Gemeinschaft löst sich wegen Uneinigkeit und Geldnöten auf.

Sie zieht, inzwischen 44 Jahre alt, mit ihren Töchtern nach Amsterdam. Mit 200.000 Einwohnern ist Amsterdam eine wohlhabende Hafen- und Handelsstadt, international durch zahlreiche Geflüchtete. Maria Sibylla kommt erneut in Schwung, richtet ihren Farbenhandel wieder ein und arbeitet auf Auftrag. Sie knüpft Kontakte, unter anderem zum Bürgermeister und dem Leiter des Botanischen Gartens.

Johanna Helena heiratet den Kaufmann Jacob Hendrik Herolt, der ebenfalls mit Surinam Geschäfte macht. Als sie von einer Reise dorthin zurückkehren, ist Maria Sibylla von den Schilderungen ihrer Tochter so begeistert, dass sie ebenfalls entschließt, die Überfahrt zu wagen. Sie braucht jedoch finanzielle Unterstützung, und das dauert. Patiencya ist ein gut Kräutlein, sagt sie sich.

Über den Atlantik: Maria Sibyllas Reise nach Surinam

Erst im Juni 1699 ist es soweit. Sie ist 52 Jahre alt. Sie macht ihr Testament, packt ihre 21-jährige Tochter Dorothea Maria ein und sticht in See. Wir befinden uns noch hundert Jahre vor Alexander von Humboldt und seiner Tour de Force durch Südamerika. Drei Monate lang sind die Frauen auf See. In der surinamischen Hauptstadt Paramaribo mieten sie ein Holzhäuschen mit Garten und machen sich jeden Tag in den frühen Morgenstunden auf in den Urwald.

Begleitet werden sie von ihren Sklaven. Zwar spricht Maria Sibylla sich vehement gegen die Sklaverei und die furchtbare Behandlung der Einheimischen und aus Afrika Verschleppten aus und irritiert damit die übrigen Siedler, aber sie nimmt sie offenbar doch zu Hilfe, um nicht vom Dschungel verschlungen zu werden. Wespen und Mücken stören bei der Arbeit, obwohl doch alles viel schneller gehen muss als zu Hause. Denn die gesammelten Tiere und Pflanzen verschimmeln oder vertrocknen sofort oder werden von anderen Viechern aufgefressen. Die Durchschnittstemperatur liegt bei 28 Grad. Wahrscheinlich ist es gut, dass Maria Sibylla schon so viel Erfahrung mit dieser Arbeit hat – alle anderen wären von der Artenvielfalt und der guten Tarnfähigkeit der Insekten vermutlich überwältigt gewesen. Einmal fahren sie auf dem Fluss etwa 65 Kilometer flussaufwärts zur dortigen Labadistenkolonie.

Allzu lange bleiben die beiden Frauen nicht in Surinam. Maria Sibylla wird krank – Gelbfieber, Malaria oder Ruhr – und muss abreisen. Sie ist nicht das einzige Opfer:

150 Jahre später, selbst unter verbesserten hygienischen Verhältnissen, gibt Schomburgk noch folgende Zahlen: Von 400 Deutschen, die 1839 angekommen waren, lebten 1844 noch 20. Von 10.000 Portugiesen waren bei seiner Abreise noch 3000 am Leben.

Helmut Kaiser, Maria Sibylla Merian: eine Biographie, S. 39.

Im September 1701 sind sie zurück in Amsterdam. Dorothea Maria heiratet, und Maria Sibylla erkennt, dass sie schon wieder Geld braucht. Sie malt auf Auftrag und bietet Teile ihrer einheimischen und surinamischen Insektensammlung zum Kauf an. Gleichzeitig erhält sie jedoch die Möglichkeit, ihre Ausstellung im Rathaus zu zeigen.

Metamorphosis Insectorum Surinamensium

Und sie fängt mit ihrem Hauptwerk an: Metamorphosis Insectorum Surinamensium. Dafür malt sie 60 Aquarelle im Folioformat, die als Vorlage für 60 Kupferstiche dienen. Beim Stechen helfen ihr aus Zeitgründen drei Künstler. Die erklärenden Texte verfasst sie selbst und entscheidet sich für eine lateinische und eine holländische Version. Wegen der hohen Kosten setzt sie auf Subskription: 15 Gulden soll die unkolorierte, 45 Gulden die kolorierte Version kosten. (Ein ganzer Batzen, denn für 12 Gulden erhält man laut Kaiser bereits zwei geschlachtete Kälber.) Dieses Mal braucht es keinen Hinweis auf den alten Merian mehr und auch der „Eheliebste“ wird nicht mehr erwähnt. Maria Sibylla ist eine eigenständige, selbstbewusste Künstlerin und Wissenschaftlerin.

Das Buch enthält neben den Zeichnungen der Insekten und ihrer Futterpflanzen auch Speisezubereitungen, Kultivierungsempfehlungen für tropische Pflanzen und Informationen zu ihrer Heilwirkung. Auch für ethnologische Beobachtungen ist Platz. Dabei bewertet sie niemals die Kultur der Eingeborenen, kritisiert aber umso stärker die Siedler und Kolonisten, die nur an den verdammten Zucker denken und die Einheimischen misshandeln, statt zum Beispiel Vanille und Weintrauben anzubauen. Sie berichtet, dass die Sklavinnen eine Pflanze kennen, mit der sie ihre ungeborenen Kinder abtreiben, weil sie der Überzeugung sind, dass die Babys so in Afrika wiedergeboren werden und dem elenden Leben in Surinam entgehen.

Sie wird mit ihrem Buch leider nicht reich, auch weil sie bei Arbeit und Material keine Kosten und Mühen scheut. Aus einer deutschen Version wird nichts, und auch die angedachte englische Übersetzung muss sie sich aus dem Kopf schlagen, obwohl sie so gern der Queen ein unterzeichnetes Exemplar zukommen lassen würde, so von Frau zu Frau.

Das Erbe der Merian

Im Jahr 1715 erleidet Maria Sibylla einen Schlaganfall, und zwei Jahre später stirbt sie mit siebzig Jahren. Ihr Grab ist nicht erhalten, aber ihre Werke werden in Amsterdam, im British Museum, in Basel und in Sankt Petersburg gut gehütet. Dort soll übrigens auch Vladimir Nabokov darauf gestoßen sein, was zu seiner Leidenschaft für das Schmetterlingssammeln geführt haben soll.

Nach ihrem Tod wurde sie häufig kritisiert und als unwissenschaftlich bezeichnet. Teilweise mag das stimmen – es gibt in ihrem Werk zum Beispiel die Zeichnung eines Insekts, dessen Kopf und Rumpf nicht zusammenpassen – angeblich hatte da ein Helfer den Schalk im Nacken.

Dennoch muss man unbedingt anerkennen, dass sie eine, wenn nicht gar die Vorreiterin der Insektenkunde war, was Linné und Kolleg*innen auch dadurch anerkannt haben, dass inzwischen sechs Pflanzen, neun Schmetterlinge und zwei Wanzen nach ihr benannt sind. Ihre Unabhängigkeit, ihre Neugier und ihr verblüffend wissenschaftliches Denken, für das sie überhaupt kein Vorbild gehabt hat, machen Maria Sibylla Merian zu einer beeindruckenden Frau des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts.

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Quellen:
Helmut Kaiser: Maria Sibylla Merian: eine Biographie. Artemis und Winkler, Düsseldorf/Zürich 1997.
Charlotte Kerner: Seidenraupe, Dschungelblüte: Die Lebensgeschichte der Maria Sibylla Merian. Beltz & Gelberg, Weinheim/Basel 1988.

Lesehinweise:
Wer sich „der Merianin“ lieber belletristisch nähern will, wird auch fündig: Utta Keppler schreibt über Die Falterfrau Maria Sibylla Merian, Inez van Dullemen über Die Blumenkönigin (Übersetzung: Marianne Holberg) und Nicole Steyer über den Fluch der Sommervögel.

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