Die schottische Astronomin und Mathematikerin Mary Somerville war in den europäischen Wissenschaftskreisen des 19. Jahrhunderts eine Berühmtheit. Ihre Publikationen erlangten ebenso wie ihre Person Kultstatus.

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Obwohl Mary Somerville als Kind so gut wie keine formale Schulbildung erhielt, ging sie als eine der letzten Universalgelehrten in die Geschichtsbücher ein. Aber auch mit ihrer liberalen politischen Einstellung, ihrer Ablehnung der Lehre der Kirche, ihrem Einsatz für die Bildung und für das Wahlrecht von Frauen machte sie von sich reden. Außerdem war sie die Mentorin und Lehrerin der berühmten Mathematikerin Ada Lovelace.

Mary Somerville und ihre Handschrift

Nach Mary Somerville wurden Straßen, Plätze, Häuser, eine High School in Australien, eine Insel und ein Schiff benannt. Außerdem tragen ein Mondkrater und ein Asteroid und seit dem 1. April 2022 ein Satellit ihren Namen. Seit 2016 ist sie auf der schottischen 10-Pfund-Note zu sehen.

Google Doodle von 2020 zu Mary Somerville

Nachtrag:
Im Podcast rätseln wir kurz darüber, was Ada Lovelace damals übersetzt hat. Im Beitrag zur Podcast-Episode steht die Antwort: „Sie übersetzt einen wissenschaftlichen Artikel zur Maschine aus dem Französischen ins Englische und fügt einen Anhang bei, dessen Umfang den ursprünglichen Aufsatz um das Dreifache übersteigt. Darin hält sie unter anderem Handlungsanweisungen für die Maschine zur Berechnung von Bernouillizahlen fest und schreibt somit das erste Programm.“

Gegen Ende dieser Folge weisen wir auf eine Publikation von Mary Somerville hin, die als wissenschaftliches Lehrwerk bis ins 20. Jahrhundert hinein genutzt wurde, und dabei fällt auch das Wort „Rasse“, da dieser Begriff in dem Werk vorkommt. Die Erwähnung fand eine unserer Hörerinnen unpassend, darum weisen wir noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass dies natürlich ausschließlich dem historischen Zusammenhang geschuldet ist. Wir wissen, dass menschliche Rassen nicht existieren.

Den vollständigen Artikel über Ada Lovelace und die Podcast-Episode findet ihr hier.

Artwork und Musik: Uwe Sittig 

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Quellen:

Margaret Alic, Hypatias Töchter, „Mary Somerville, die Königin der Naturwissenschaft“

Public lecture with Professor Jim Secord, Department of History and Philosophy of Science, Cambridge, The Royal Society

Kohlenstoff, Tabakmosaikvirus, Desoxyribonukleinsäure – die Engländerin Rosalind Franklin war mit Leib und Seele Naturwissenschaftlerin und wollte mit Hilfe der Röntgenkristallografie dem Geheimnis des Lebens auf den Grund gehen. In den 1950ern war das nicht einfach. Ihre Gegenspieler: James Watson und Francis Crick.

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Zu Beginn ein wenig Eigenwerbung: Die Entdeckerin des Lebens ist Petras Romanbiografie über Rosalind Franklin.

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Rosalind Elsie Franklin stammte aus einer wohlhabenden, einflussreichen jüdischen Familie.

Ihr Großonkel Herbert Samuel war erster High Commissioner of Palestine, Postmaster General und Home Secretary; ihre Tante Helen „Mamie“ Bentwich war die Ehefrau des Attorney General in Palästina und kämpfte in Notting Hill für Frauenrechte.

Vater Ellis wollte als junger Mann Chemie studieren, doch der Erste Weltkrieg kam dazwischen, und danach verlangten seine Eltern von ihm, in die Familienbank A. Keyser & Co. einzusteigen. Um seinen Interessen weiter nachzugehen, lehrte er ehrenamtlich am Working Men’s College.

Mutter Muriel war ihm mit Freuden untergeben, kümmerte sich, gemeinsam mit dem geliebten Kindermädchen Nannie, um David, Rosalind, Colin, Roland und Jenifer und engagierte sich für wohltätige Zwecke.

Rosalind Franklin
Rosalind Franklin (Elliott & Fry, National Portrait Gallery)

Sie verreisen gern und gehen in ganz Europa wandern. Die Begeisterung dafür nimmt Rosalind Franklin in ihr Erwachsenenleben mit. Immer, wenn es geht, macht sie Urlaub in den Bergen oder lange, anspruchsvolle Radtouren.

Alarmierend intelligent

Rosalind Franklins Intelligenz zeigt sich schon früh. Tante Mamie bezeichnet sie als „alarmingly clever“. Doch zum Glück sind die Franklins davon überzeugt, dass auch Mädchen etwas lernen sollen. Rosalind geht auf die St. Paul’s Girls’ School, wo sie Freundinnen fürs Leben findet und immer zu den Klassenbesten gehört. Schon hier interessiert sie sich vor allem für die Naturwissenschaften, aber auch Sport in Form von Hockey, Cricket und Tennis begeistert sie.

Was ihr neben den Freundinnen auch bleibt, ist ihr Privatschulenakzent – im klassenbewussten England der 1950er ist das ein wichtiges Distinktionsmerkmal.

Mit Jungen hat sie in dieser Zeit sehr wenig Berührung. Sie geht selten zu Tänzen, und wenn, dann weiß sie nicht, wie sie mit ihnen umgehen soll. Sie wird auch niemals in der Familie aufgeklärt und muss mit 21 eine Kommilitonin (eine Medizinstudentin) fragen.

In ihrem weiteren Leben ist sie gern und problemlos mit Männern platonisch befreundet, aber eine Liebesbeziehung scheint sie nie gehabt zu haben.

Während der Flüchtlingswelle in den Jahren 1938/39 helfen die Franklins Juden und Jüdinnen aus Deutschland und Österreich dabei, Visa zu bekommen oder Arbeit zu finden. Sie nehmen ein junges Mädchen namens Evi Eisenstädter auf, das allein nach England verschickt wurde. Sie bleibt ihnen ihr Leben lang verbunden.

Rosalind Franklin
Rosalind Franklin (Foto: Vittorio Luzzati)

Studentin zu Kriegszeiten

Rosalind Franklin wird in Cambridge bzw. im Newnham College aufgenommen, einem von zwei Colleges, in denen Frauen studieren dürfen. Sie lernt Chemie, Physik und Mathematik und kommt zum ersten Mal mit der Röntgenkristallografie in Kontakt, die sie ihr Leben lang begleiten wird. Dabei werden Röntgenstrahlen auf einen Kristall (z. B. ein Protein) gelenkt, sodass die Strahlen sich an den Atomen darin brechen und Strahlen zurückwerfen, die sich auf Fotoplatten bzw. Fotopapier aufzeichnen lassen. Diese muss man dann mathematisch analysieren, um herauszufinden, wie die Atome im Kristall angeordnet sind.

Während der Luftangriffe engagiert Franklin sich als Brandwache und Luftschutzwärtin. Sie war nicht pazifistisch, politisch eher links und heftigen Diskussionen über Politik (mit ihrem Vater) oder Wissenschaft (z. B. mit ihrem Freund Vittorio Luzzati) nicht abgeneigt.

In Cambridge lernt sie die französische Physikerin Adrienne Weill kennen, eine Schülerin von Marie Curie, die als alleinerziehende Mutter nach England flüchten musste. Die beiden werden gute Freundinnen. Die frankophile Franklin zieht in Weills kleines Hostel und überlegt langsam, was sie nach dem Studium machen soll.

Ihr erster Job

Sie findet eine Stelle als Assistant Research Officer bei der neuen British Coal Utilisation Research Association (BCURA) und beschäftigt sich dort mit Kohle und Holzkohle, die während des Kriegs in Gasmasken eingesetzt wird, sodass ihre Arbeit auch kriegswichtig ist. In dieser Zeit entwickelt sie wichtige Theorien, mit denen sie später in diesem Bereich durchaus gefragt ist.

Bald ist der Krieg vorbei, und Franklin macht ihren PhD-Abschluss. 1945 werden außerdem die ersten zwei Frauen in die Royal Society aufgenommen (Kathleen Lonsdale und Marjorie Stephenson). Und 1945 ist auch das Jahr, in dem Lise Meitner nicht den verdienten Nobelpreis erhält.

Auf nach Paris

Im Februar 1947 zieht Franklin nach Paris. Über Kontakte von Adrienne Weill landet sie im Laboratoire Central des Services Chimiques de l’État, wo sie auf Jacques Mering trifft. In ihn verliebt sie sich wohl heftig, aber aus den beiden wird nie ein Paar. Sie arbeiten jedoch gut zusammen, und auch mit ihm kann sie leidenschaftlich diskutieren. Um Radioaktivität – die sich bei der Arbeit mit Röntgenstrahlen ja nicht vermeiden lässt – macht sich niemand viele Gedanken. Wenn das Dosimeter Alarm schlägt, macht man zwei Tage Pause.

Franklin genießt das französische Leben, Kunst und Kultur, spaziert am linken Seineufer entlang und kocht für ihre vielen Besucher:innen aus England mediterrane Gerichte. Freund:innen und Familie merken sofort, wie gelöst und glücklich sie in Paris scheint. In ihrer Freizeit näht sie außerdem gern und kleidet sich bald im neu entstehenden New Look von Christian Dior.

Dennoch entscheidet sie sich nach einigen Jahren, dass sie zurück nach England will, sowohl wegen der Familie als auch, weil sie befürchtet, sonst den Anschluss an die wissenschaftliche Gemeinschaft dort zu verlieren.

Zurück nach London

Aber London – die Menschen und das Wetter, die Rationierungen und das schlechte Gesundheitssystem – scheint ihr trüb und elend. Immerhin findet sie eine schöne Wohnung, und die neue Arbeitsstelle am King’s College klingt auch interessant. Ihrem neuen Chef Prof. John T. Randall schickt sie bereits aus Paris Spezifikationen für die Maschinen, die sie für ihre Röntgenkristallografie benötigt. Randall fördert Frauen und arbeitet gern interdisziplinär, indem er gute Leute aus Physik, Biologie und Chemie um sich schart.

Rosalind Franklin
Rosalind Franklin 1950/51 auf einer Berghütte (Foto: Vittorio Luzzati)

DNA und Gene

Man sagt, die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Zeit der Physik – allgemeine Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Atomspaltung –, die zweite gehörte der Biologie.

Im King’s College wird um diese Zeit an DNA (Deoxyribonukleinsäure) und anderen Materialien geforscht, um herauszufinden, wo sich unsere Gene befinden und wie sie aufgebaut sind. Das ist zwar nicht Franklins Fachgebiet, doch sie arbeitet sich gern ein. Das DNA-Material stammt aus der Schweiz. Gewonnen wird es aus Kalbs- oder Schweinethymus oder Dorschrogen, und ähnelt von der Konsistenz her Nasenschleim.

Der Kollege Maurice Wilkins

Mit ihren neuen Kollegen hat Franklin Schwierigkeiten. Randall manipuliert wohl gern und weist keine klaren Kompetenzen zu. So gibt es einen Doktorand namens Raymond Gosling, der als Franklins Assistent fungieren soll, und Maurice Wilkins, der ihr vorgesetzt ist. Mit Wilkins kommt sie nicht zurecht, weil er vom Wesen her ganz anders ist als sie, so zieht er sich z. B. zurück statt etwas auszudiskutieren, und kann den Leuten nicht in die Augen sehen.

Maurice Wilkins
Maurice Wilkins

Das King’s College ist national und international gut vernetzt. Auf Konferenzen in Stockholm oder Neapel trifft man Linus Pauling vom Caltech in Kalifornien, Max Perutz sowie James Watson und Francis Crick vom Cavendish Laboratory in Cambridge, J. D. Bernal vom Birkbeck College. Der Austausch ist freundschaftlich und fair, doch je weiter die DNA-Forschung voranschreitet, desto stärker bildet sich ein Wettbewerbsgedanke heraus: Wer wird das Geheimnis des Lebens zuerst lüften?

Die A-Form und die B-Form

Nach einer furchtbar niveaulosen Weihnachtsfeier überlegt Franklin endgültig, ob sie sich eine neue Stelle suchen soll. Sie bewirbt sich beim Birkbeck, bekommt von Bernal aber keine klare Antwort.

Weil die Atmosphäre zwischen Wilkins und Franklin immer eisiger wird, entscheidet Randall nun doch einmal ganz klar, dass sie getrennt weiterarbeiten sollen: Wilkins an der A-Form, Franklin an der B-Form. Franklin ist ganz glücklich darüber, weil sie das bessere Material und die besseren Geräte bekommt und nun allein bzw. gemeinsam mit Gosling arbeiten kann. Wilkins fühlt sich isoliert und baut seinen Kontakt zu James Watson aus.

Watson hat mit 23 schon seinen Doktortitel gemacht. Er stammt aus den USA und orientiert sich gerade Richtung Biophysik, weil auch er gehört hat, dass man in diesem Bereich in Zukunft Ruhm einfahren könnte. Gemeinsam mit Francis Crick, ebenfalls ein begabter Wissenschaftler, arbeitet er am Cavendish. Die beiden verstehen sich gut, reden und lachen viel und denken schnell. Viel Interesse an experimenteller Arbeit haben sie (ganz anders als Franklin) nicht. Sie theoretisieren lieber und bauen Modelle.

Watson und Crick
James Watson und Francis Crick

Da das Cavendish und das King’s College denselben Geldgeber haben, wird dort eigentlich an etwas anderem geforscht, nämlich der RNA des Tabakmosaikvirus. Doch Interesse an der DNA haben Watson und Crick auch, und nachdem Watson auf einer Konferenz im November 1951 einem Vortrag von Franklin lauscht, kehrt er nach Cambridge zurück und baut mit Crick ein Modell der DNA, so, wie er es sich vorstellt.

Doch Franklin sieht bei einem Besuch sofort, dass sie große Fehler gemacht haben. So kann die DNA einfach nicht aussehen, weil grundlegende chemische Eigenschaften missachtet wurden. Sie muss erleichtert gewesen sein. Gleichzeitig ist es ein Ansporn, selbst weiterzuforschen.

Das „Foto 51“

Im darauffolgenden Sommer gelingt ihr ein besonders klares Foto der Atomstruktur der DNA-Kristalle. Foto Nummer 51. Doch sie veröffentlicht nichts davon in den einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften, so wie das King’s College in dieser Zeit ohnehin kaum etwas publiziert, obwohl auch ihre Zwischenergebnisse interessant gewesen wären. Franklin ist sich mittlerweile sicher, dass ihre Form der DNA eine Helixform haben muss. Aber was ist mit Wilkins‘? Solange sie da nicht die passenden Daten zu hat, will sie nichts sagen.

Photo 51
Das berühmte Photo 51

Ihr mathematisches, theoretisch geschultes, gewissenhaftes Gehirn setzt ihr Leben lang auf Daten und Fakten. Mit ein wenig mehr Vertrauen in ihre Intuition hätte sie vielleicht früher auf die Lösung kommen können.

Nun bekommt sie aber endlich von Bernal die ersehnte Stelle am Birkbeck College angeboten. Bevor sie das King’s (und ihren Doktoranden) verlässt, kommt jedoch noch das Medical Research Committee vorbei. Das MRC ist der Geldgeber des King’s und möchte sich über den aktuellen Forschungsstand informieren. Dafür schreiben alle Beteiligten einen Bericht.

Paulings Schnellschuss

Zur gleichen Zeit erfährt die Wissenschaftsgemeinschaft, dass Linus Pauling am Caltech behauptet, die DNA geknackt und das Geheimnis der Gene entschlüsselt zu haben. Doch als Watson und Crick seinen Artikel dazu lesen, sehen sie sofort, dass dieser so renommierte Wissenschaftler dieselben Fehler begangen hat, wie sie mit ihrem eigenen Modell. Später sagt er, er habe unbedingt den Ruhm einheimsen wollen und nicht ordentlich genug gearbeitet.

Die Suche geht also weiter.

Allerdings nicht mehr lang.

Die Offenbarung

Denn eines Tages zeigt Wilkins ohne böse Gedanken, dass er etwas Unrechtes tun könnte, Watson das Foto 51. Für Watson ist es eine Offenbarung: Es zeigt doch genau, dass die DNA eine Helix sein muss! Kurze Zeit später bekommt er auch noch Franklins Bericht in die Hände, den sie für das MRC geschrieben hat. Für ihn ist nun alles klar.

Im Cavendish überzeugt er Crick. Die beiden bauen noch einmal ein Modell. Und dieses Mal stimmt es. Am 7. März 1953 haben James Watson und Francis Crick die Struktur der DNA entschlüsselt.

DNA-Modell
Ein DNA-Modell

Franklins Reaktion darauf ist nicht bekannt. Es ist nicht einmal sicher, wann und ob sie verstanden hat, dass die zwei Männer nur dank ihrer Fotografie und ihrer Daten erfolgreich waren.

In der Nature veröffentlichen die beiden schnell ihre Erkenntnisse, flankiert von Artikeln von Wilkins und Franklin. In Franklins Beitrag steht so etwas wie: … und so sieht man, dass meine Ergebnisse mit denen von Watson und Crick übereinstimmen.

Natürlich tun sie das, denn sie basieren ja auf ihrer Forschung.

Endlich am Birkbeck

Im März 1953 wechselt Franklin endlich ans Birkbeck College. Von dort aus soll sie Gosling nicht mehr weiter bei seiner Dissertation begleiten, aber inoffiziell bleiben die beiden weiter in Kontakt und sprechen auch weiter über DNA. Für Franklin bleibt das Modell von Watson und Crick weiterhin nur eine Hypothese, nicht die endgültige Lösung. Es gab noch viele Details zu erforschen. Auch andere Mitglieder der Wissenschaftsgemeinschaft halten sich mit ihrer Begeisterung zurück.

Das Birkbeck ist im Vergleich zum King’s College schlecht ausgestattet – es tropft von der Decke, und Franklin muss ihre Experimente unter einem Regenschirm durchführen. Vom Labor ins Büro sind es fünf Etagen. Doch Bernal ist ein viel besserer Chef als Randall.

Schwerpunkt am Birkbeck ist in diesen Jahren die Virenforschung. Dafür eignet sich das Tabakmosaikvirus (TMV), ein simples, stabiles und hochinfektiöses Virus, das gewissermaßen das Fachgebiet losgetreten hat. Auch Watson hatte daran ja schon geforscht.

Tatsächlich tauschen Franklin, Watson und Crick sich oft aus, und insbesondere zwischen Franklin und Crick entsteht fast eine Freundschaft. Sie nennen sich in ihren Briefen nun sogar beim Vornamen.

Franklin freut sich, als sie in die USA reisen darf, um an einer Konferenz teilzunehmen. Aus England darf man in dieser Zeit nur wenige Devisen mitnehmen, doch weil Franklin unbedingt mehr vom Kontinent sehen möchte, organisiert sie sich bezahlte Vorträge. Die neuen Eindrücke hält sie in ausführlichen Briefen an Freund:innen und Verwandte fest, eine Art Reisetagebuch, in dem sie sehr glücklich scheint.

A Meeting of Minds

Am Birkbeck trifft Franklin auf den 26-jährigen Aaron Klug. Die beiden verstehen sich so gut, dass er sich in ihr Team versetzen lässt, und ihre gemeinsame Arbeit führt zu beachtlichen Ergebnissen. Auch privat – er ist verheiratet und hat ein Kind – unternehmen sie viel zusammen. Rein platonisch.

Etwas anders sieht das mit Don Caspar aus, auch erst 27 Jahre alt, US-Amerikaner, zu dem Franklin Zuneigung verspürt – wohl zum ersten Mal seit Mering. Doch aus einer Beziehung soll leider nichts werden.

Denn bei einer zweiten USA-Reise 1956 bekommt sie Schmerzen im Unterbauch. Zurück in England entdeckt ein Arzt zwei Tumore in ihren Eierstöcken, die umgehend, gemeinsam mit dem Uterus, entfernt werden.

Ob Franklins Krebs auf den sorglosen Umgang mit Röntgenstrahlung zurückzuführen ist, lässt sich natürlich nicht sagen. Ihre Kolleg:innen taten nichts anderes, und haben nicht alle Krebs bekommen. In ihrer Familie sind wohl zudem viele an Krebs erkrankt.

Krankheit

Franklin erholt sich bei ihren Eltern und kehrt bald halbtags ins Labor zurück. Sie verwendet viel ihrer Energie darauf, die Finanzierung ihres jungen Teams sicherzustellen und ist damit auch recht erfolgreich. Um eine angemessene Bezahlung für sich selbst musste sie immer wieder kämpfen.

Sie ist zuversichtlich, verlängert ihren Mietvertrag und kauft sich ihr erstes Auto. Außerdem kümmert sie sich um ein zweites Virus, das Poliovirus, für das es in den 50er-Jahren noch keinen Impfstoff gab. Viele junge und alte Menschen starben daran.

Aber im Februar 1957 kommt es zu einem Rückschlag und erneut im November desselben Jahres. In ihren letzten Wochen sitzt immer jemand aus ihrer Familie an ihrem Bett, bis sie am 16. April 1958 verstirbt.

Auf ihrem Grabstein steht: „Wissenschaftlerin. Ihre Arbeit an Viren war von dauerhaftem Wert für die Menschheit“.

Nobelpreis – aber nicht für sie

Watson, Crick und Wilkins bekamen 1962, also vier Jahre nach Franklins Tod, den Nobelpreis für ihre Entdeckung. Wilkins war der einzige, der sie in seiner Dankesrede erwähnte. (Ganz anders als Aaron Klug, der sie, als er 1982 den Preis erhielt, in den Himmel lobte und sagte, ohne sie wäre er nie so weit gekommen: geadelt, Mitglied der Royal Society und eben auch Nobelpreisträger.

Hätte das Komitee sie ausgezeichnet, wenn sie noch gelebt hätte? Da immer nur drei Personen gleichzeitig den Preis bekommen können, scheint die Wahrscheinlichkeit leider nicht sehr hoch.

Watsons Memoiren

Zwei Jahre später erschienen Watsons Memoiren unter dem Titel „The Double Helix“. Passend zu seinem Charakter ist es ein spöttisches, arrogantes, durchaus unterhaltsam zu lesendes Buch, in dem eigentlich niemand gut wegkommt. Sein Verleger verlangte von ihm, allen erwähnten Personen das Manuskript vorher zu lesen zu geben, und nicht einmal Crick, sein engster Kollege, war mit seiner Darstellung einverstanden.

Watson wechselte den Verlag und bekam die Auflage, ein Nachwort zu schreiben, um seine bissigen Kommentare abzuschwächen.

Was genau er über Rosalind Franklin schrieb? Nun, er erinnert sich an ihre erste Begegnung auf der Konferenz, nach der er nach Hause ging und mit Crick das erste Modell baute. Wenn „Rosy“, wie er sie despektierlich nannte, etwas anderes getragen und etwas mit ihren Haaren gemacht hätte, wäre sie gar nicht so hässlich gewesen. Aber so sei das nun einmal mit diesen Blaustrümpfen.

Eine zweite Anekdote, nach dem von Fehlern strotzenden Artikel von Linus Pauling: Er habe am King’s mit ihr darüber gesprochen, dass er trotzdem der Überzeugung sei, die DNA sei eine Helix. „Rosy“ habe sich darüber so aufgeregt, dass sie auf ihn zugestürmt sei und er Angst gehabt habe, sie würde ihn in ihrer heißen Wut schlagen. Er sei weggerannt, und Wilkins habe ihm später erzählt, ihm sei das auch einmal passiert.

Brenda Maddox vermutet in ihrer Biografie, dass Watson im Grunde wusste, dass es falsch war, Franklins Daten zu stehlen und den ganzen Ruhm einzuheimsen. Dadurch, dass er sie so schlecht darstellte, legitimierte er dieses Verhalten gewissermaßen: Franklin sei so grässlich, dass man sie gewissermaßen bestehlen musste.

Dass er im erwähnten Nachwort schreibt, er habe sie damals wohl unterschätzt, machte da auch keinen Unterschied mehr. Franklins Ruf haben seine Schilderungen deutlich geschadet.

Andere Erinnerungen

Jenifer Franklin schrieb daraufhin eine eigene Biografie über ihre Schwester, um das Bild zu korrigieren. Rosalinds Freundin Anne Sayre ebenso. (Beide sind unten in den Quellenangaben zu finden und definitiv die bessere Lektüre.)

Wilkins schrieb seine Memoiren The Third Man of the Double Helix erst 2003 und schildert darin recht versöhnlich, warum er und Franklin menschlich nicht miteinander zurechtgekommen sind und was sie hätten besser machen können. Bekannte von ihm berichten ebenfalls, dass es ihm damals, nach einer schwierigen Scheidung, nicht gut ging und er später zu einem viel glücklicheren, ausgeglichenerem Mann geworden sei. Den hat Rosalind Franklin leider nie kennengelernt.

King's College heute
Am King’s College heute

Aber zum Glück hat sich das Bild der sozial vielleicht schwierigen, aber fachlich brillanten Wissenschaftlerin inzwischen geändert. Das King’s College hat ein Gebäude nach ihr benannt, und ihre ehemalige Schule ehrt sie genauso wie das Newnham College.

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Quellen:
Jenifer Glynn: My Sister Rosalind Franklin. Oxford University Press 2012.
Brenda Maddox: Rosalind Franklin. The Dark Lady of DNA. Harper Collins Publishers 2002.
Anne Sayre: Rosalind Franklin and DNA. Norton 1975
James D. Watson: The Double Helix. Norton 1968.
Maurice Wilkins: The Third Man of the Double Helix. Oxford University Press 2003.
Gareth Williams: Unravelling the Double Helix. The Lost Heroes of DNA. Weidenfeld & Nicolson 2019.

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London 1951: Die Entschlüsselung des Lebens ist für die Wissenschaft das Thema der Stunde, und auch die junge Rosalind Franklin stürzt sich in die Forschung. Doch sie hat nicht mit den arroganten Kollegen gerechnet, die eine Frau im Labor lieber übersehen, statt mit ihr zusammenzuarbeiten. Bald müssen die Männer erkennen, dass die brillante Chemikerin eine ernst zu nehmende Konkurrentin im Wettlauf um die Entdeckung der DNA-Struktur ist. Zwar hat Rosalind Unterstützung von ihrem Assistenten Oliver, aber die Lage spitzt sich zu. Hinter Rosalinds Rücken greift man zu immer unfaireren Methoden …

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Die Autorin Petra Hucke liest aus ihrem Roman Die Entdeckerin des Lebens über die DNA-Forscherin Rosalind Franklin (1920–1958). Der Roman erscheint im Piper Verlag in der Reihe „Bedeutende Frauen, die die Welt verändern“. Kaufen könnt ihr ihn zum Beispiel hier.

Falls euch nur die Fakten hinter der Fiktion interessieren, könnt ihr hier unsere Podcastfolge hören.

Petra Hucke: Die Entdeckerin des Lebens
Petra Hucke: Die Entdeckerin des Lebens

Sofja Kowalewskaja war Mathematikerin, Revolutionärin und Schriftstellerin. 1850 in Moskau als Tochter eines russischen Landadligen geboren, wurde sie in ihrer Jugend Teil der nihilistischen Bewegung in St. Petersburg und ging eine Scheinehe ein, um in Deutschland studieren zu können. Sie gewann mit dem Prix Bordin eine der höchsten Auszeichnungen in Mathematik und erhielt in Stockholm als erste Frau in Europa eine Mathematikprofessur. Ihr größter Wunsch, in ihrer russischen Heimat lehren und arbeiten zu können, blieb unerfüllt. 

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In ihren Jugenderinnerungen zeichnet sie ein leicht skurriles Bild ihrer Kindheit. Da gibt es Kindermädchen und Gouvernanten, die ihre Machtposition ausnutzen, um die Geschwister gegeneinander auszuspielen, einen distanzierten Vater und eine noch weiter entfernte Mutter, Verwandte, die kommen und gehen – oder sich auch wochenlang einnisten, einen Hauslehrer, der sich selbst im Nachhinein als wichtig für die Entwicklung des genialen Kindes beschriebt, von der kleinen Sofia jedoch offenbar kaum wahrgenommen wird, und das alles in der Abgeschiedenheit eines russischen Landsitzes mit dem poetischen Namen Palibino. 

Begeisterung für Mathematik und Physik

Mit 18 Jahren kehrt sie dieser Welt den Rücken. Sie weiß bereits, dass sie Mathematik studieren will und eine besondere Begabung für das Fach hat. Trotzdem widmet sie sich einige Semester lang auch der Medizin und der Physik. Die Scheinehe mit dem später als Paläontologen bekannt gewordenen Wladimir Kowalewski, der sie zuerst nach Heidelberg und dann nach Berlin begleitet, erweist sich als spannungsreich. Was als rein kameradschaftliches Verhältnis geplant war, wird zu einer komplizierten Beziehung und zu einer lebenslangen Zerreißprobe für beide. 

Sofja Kovalevskaja | © Mittag-Leffler-Institut Djursholm/Schweden

Ab 1870 studiert Sofja Kowalewskaja – unterstützt mit Geld ihrer Familie – privat beim Mathematiker Karl Weierstraß in Berlin, da sie als Frau keine Zulassung an der Universität erhält. Sie und Wladimir reisen viel herum und haben viel Kontakt zu den intellektuellen Geistesgrößen dieser Zeit, und insbesondere Sofja erlangt eine gewisse Berühmtheit. Einen engen Kontakt pflegt sie auch zu ihrer sieben Jahre ältere Schwester Anjuta, die sich in diesen Jahren hauptsächlich der Revolution in Frankreich verschreibt.1874 ermöglicht Weierstraß Sofja die Promotion in Göttingen.

Berufsverbot und finanzielle Probleme

Danach kehren sie und ihr Mann nach Sankt Petersburg zurück, wo ihr jegliche ihrer Qualifikation angemessene Beschäftigung versagt wird. Abgesehen davon, dass sie als Frau nicht an einer Universität lehren darf, stammen beide aus dem Milieu der russischen Nihilisten. Die revolutionären Bestrebungen, die sich gegen das zaristische Russland richten, machen es ihnen unmöglich, in ihrer Heimat wieder Fuß zu fassen. Die beiden betreiben einen Salon, werden Eltern und Sofja versucht sich mit einigem Erfolg als Schriftstellerin, doch 1879 sind sie finanziell am Ende und 1883 nimmt sich Wladimir, der das verbleibende Vermögen durch Immobilien-Spekulationen verloren hat, das Leben. Er lässt seine Frau allein mit der fünfjährigen Tochter zurück.

Sofja wendet sich wieder der Mathematik zu. Mit einem Vortrag auf einem Kongress in Petersburg erregt sie das Aufsehen des Schweden Mittag-Leffler, auch er ein Weierstraß-Schüler wie sie, der beschließt, ihr zu einer Universitätslaufbahn zu verhelfen. Vier Jahre später geht sie als Privatdozentin nach Stockholm, doch sie muss auf Gehalt verzichten, um arbeiten zu dürfen. Erst mit Verzögerung bekommt sie ab 1884 eine Anstellung als außerordentliche Professorin für Mathematik an der Universität Stockholm. 1888 erhält sie den Prix Bordin, eine der höchsten Auszeichnungen in Mathematik. Wegen der Eleganz der Ausführungen wird das Preisgeld von 3000 Francs auf 5000 Francs erhöht. 1891 stirbt sie in Stockholm an einer Lungenentzündung. 

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Literatur: 

Ann Hibner Koblitz: A Convergence of Lives, Birkhäuser Boston Inc. 1983

Sonja Kowalewski: Jugenderinnerungen. S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 1968

Anna Maria Stuby: Sofja Kovalevskaja – „Prinzessin der Naturwissenschaften“. Ein Beitrag zur Entheroisierung. Aus der Zeitschrift „Feministische Studien“, 2017 

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Empfehlung:

Erzählung von Alice Munro über Sofja Kowalewskaja: Zu viel Glück. Veröffentlicht in Alice Munro, Zu viel Glück, Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2011 

Eine Quellensammlung findet sich auch unter https://www.cordula-tollmien.de

Wir erwähnen die Folge über Laura Bassi

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Fossiliensammlerin, erste weibliche Paläontologin, clevere Geschäftsfrau. Wer Mary Anning war, erfahren wir hauptsächlich aus Schilderungen Dritter. Sicher ist aber, dass sie an der Südküste von England Fossilien von Ichthyosauriern und Plesiosauriern fand, zu einer Zeit, als noch niemand wusste, dass vor vielen Millionen Jahren solche gigantischen Tiere auf der Erde gelebt haben.

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Krokodile würden es wohl sein, Schildkröten vielleicht oder Fische. So erklärten sich die Geologen und anderen Naturwissenschaftler die seltsamen Funde aus Südengland. Seit dem frühen 19. Jahrhundert wurde das helle Gestein gleich am Ärmelkanal für die Herstellung von Zement abgebaut. Dabei kam neben den üblichen Fossilien von Ammoniten, Belemniten und anderen Meerestieren oder auch Pflanzen und Algen immer wieder Rätselhaftes zutage.

Mary Anning
Mary Anning von B. J. Donne

Mary Anning ging schon als junges Mädchen mit ihrem Vater Richard und ihrem Bruder Joseph auf die „Jagd“ nach Fossilien. Die Familie, die in Lyme Regis lebte, war nicht reich und verkaufte die guten Fundstücke an Tourist:innen und auch professionelle Sammler.

In dieser Folge unseres Podcasts erfahrt ihr, wie Mary vom Blitz getroffen wurde, finanzielle Unterstützung von wohlmeinenden Wissenschaftlern erhielt, während andere ihre Professionalität anzweifelten – und warum sie als Diana, Helena, Sankt Georgina und Prinzessin bezeichnet wurde statt einfach nur (verdammt noch mal) als Paläontologin.

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Quellen:
Thomas W. Goodhue: „Mary Anning: the fossilist as exegete“, Endeavour Vol.29 (1), S. 28–32. Elsevier Review 2005.
Tom Sharpe: The Fossil Woman. A Life of Mary Anning. The Dovecote Press 2020.
Michael A. Taylor und Hugh S. Torrens: „An anonymous account of Mary Anning (1799–1847), fossil collector of Lyme Regis, England, published in Chambers’s journal in 1857, and its attribution to Frank Buckland (1826–1880), George Roberts (c.1804–1860) and William Buckland (1784–1856)“, Archives of natural history 41 (2), S. 309–25. Edinburgh University Press 2014.
Hugh S. Torrens: „Mary Anning (1799–1847) of Lyme; ‚the greatest fossilist the world ever knew’“, BJHS 28 (3), S. 257–84. Cambridge University Press 1995.
Peggy Vincent et al.: „Mary Anning’s legacy to French vertrebrate paleontology“, Geol. Mag. 151 (1), S. 7–20. Cambridge University Press 2013.

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Hier ist der erwähnte Koprolith oder Kotstein von Susanne:

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Hypatia war eine griechische Mathematikerin, Astronomin und Philosophin in Alexandria – damals das kulturelle Zentrum der Welt, der Ort, an dem sich die Elite der griechischen Intellektuellen und Wissenschaftler versammelte. Im Alter von 60 Jahren wurde sie von Christen grausam ermordet. Ihr Tod wurde zum Symbol für das Ende des römischen Imperiums und den Beginn des christlichen Zeitalters.

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Frauen als Wissenschaftlerinnen und Lehrerinnen waren zur damaligen Zeit keinesfalls die Regel, und somit muss auch Hypatias Lebensweg als ungewöhnlich gelten. Zwar war für Frauen der Oberschicht eine formale Bildung vorgesehen, eine wissenschaftliche Karriere stand ihnen normalerweise trotzdem nicht offen.

Hypatias Vater Theon lehrte am Museion, einer wissenschaftlichen Akademie, und er ließ seiner Tochter die beste Bildung angedeihen. Wahrscheinlich arbeitete sie eng mit ihm zusammen. Sie beschäftigte sich unter anderem mit Algebra und Berechnungen zu Kegelschnitten. Doch ihren herausragenden Ruf erwarb sie sich unter ihren Zeitgenossen vor allem mit ihrer philosophischen Tätigkeit. Sie gilt als Neu-Platonikerin und analysierte in ihren Vorlesungen die Werke der bedeutenden Denker der Antike. Unter ihren Studenten befanden sich Christen, Juden und Heiden. Einer ihrer Schüler schrieb über sie:

»Im Philosophentalar zog sie durch die Innenstadt und sprach für alle, die zuhören wollten, öffentlich über die Lehren des Platon oder des Aristoteles oder irgendeines anderen Philosophen […] Die Magistraten pflegten für die Verwaltung der Staatsgeschäfte zuerst ihren Rat einzuholen.«

Als politische Ratgeberin geriet sie schließlich zwischen die Mühlen der Machthaber und wurde von fanatischen Christen grausam ermordet. 

Die Quellenlage zu Hypatia von Alexandria ist schwierig, wenige Überlieferungen gelten als gesichert, weshalb ihr Leben und ihr Tod schon seit Jahrhunderten Anlass für Spekulationen gibt. 

Rachel Weisz in der Rolle der Hypatia.
Original image by Focus Features, Newmarket Films, Telecinco Cinema.
Copyright, fair use

Für diese Episode verwendete Literatur 

Hypatia, The Life and Legend of an Ancient Philosopher, Edward J. Watts, Oxford University Press 2017

Hypatias Töchter. Der verleugnete Anteil der Frauen in der Naturwissenschaft, Margaret Alic, deutsche Ausgabe Unionsverlag 1987. 

Der erwähnte Film: Agora – Die Säulen des Himmels. Regie Alejandro Amenábar

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Sie stammte aus einer armen sächsischen Familie und war nach Maria Sibylla Merian die bedeutendste Naturforscherin und Forschungsreisende Deutschlands. Trotz mangelhafter Schuldbildung machte sie sich als Botanikerin einen so guten Namen, dass sie sich auf Augenhöhe mit Universitätsprofessoren unterhalten konnte. Ihr abenteuerlicher Lebensweg führte sie bis ins australische Outback.

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Sie wird 1821 in eine arme Familie in Sachsen hineingeboren. Ihr Vater war Beutler (Hersteller von Lederwaren) im sächsischen Siebenlehn. Die vierköpfige Familie, Amalie hat noch einen Bruder, lebt in der sogenannten Unterstadt, dem Arme-Leute-Viertel. Die »Nellen Male«, wie sie genannt wird, (ihr Mädchenname ist Nelle), ist ein ernstes und kluges Mädchen, und die Eltern schicken sie sogar auf die Schule, wofür sie von ihrem Haushaltsgeld etwas abzweigen müssen. Sie wird älter, bleibt aber bei den Eltern. Den Heiratsantrag eines reichen Mehlhändlers lehnt sie ab.

Amalie Dietrich
Amalie Dietrich

Mit vierundzwanzig Jahren lernt sie bei einer Wanderung den Naturforscher Wilhelm Dietrich kennen, der in der Oberstadt von Siebenlehn wohnt. Über ihn kursieren die wildesten Spekulationen, denn niemand weiß, was ein Naturforscher eigentlich macht. Wilhelm Dietrich hätte eigentlich Arzt werden wollen, musste jedoch das Studium abbrechen, weil das Geld nicht reichte, er machte eine Apothekerlehre, gab die Anstellung, die er als Apotheker hatte, jedoch auch wieder auf, um Privatgelehrter zu werden. Sein Interesse und seine Leidenschaft gehören der Botanik.

Das Kategorisierungssystem von Carl von Linné, die botanische und zoologische Nomenklatur, ist einige Jahrzehnte zuvor erfunden worden und hat sich etabliert. Der Besitz und das Erstellen von Herbarien, um die Formfülle der Natur zu ordnen, ist sozusagen en vogue. Jeder Botaniker setzt seinen Ehrgeiz daran, die Pflanzenarten in seiner Umgebung oder in bestimmten Regionen zu bestimmen und zu beschreiben. Und das tut also Wilhelm Dietrich, der ungefähr zehn Jahre älter war als Amalie. Die junge Frau ist völlig fasziniert. Ihr erschließt sich mit einem Schlag eine völlig neue Welt. Sie beginnt mit Dietrich die Wälder und Felder zu durchstreifen und als er bei ihren Eltern um ihre Hand anhält, sagt sie sofort Ja.

Wilhelm Dietrich hat natürlich sofort das Talent seiner jungen Frau erkannt. Sie ist fleißig, gelehrig, hat keine großen Ansprüche an ihren persönlichen Komfort, leidet nicht unter »Putzsucht«, denn das gilt quasi als Todsünde – gemeint ist damit, der Wunsch hübsch auszusehen und schöne Kleider zu tragen – und sie ist bereit, sich völlig unterzuordnen. Sie geht bei ihrem Mann in die Lehre.

Dreihundert Taler haben die Eltern für die Aussteuer der Tochter angespart, das ist gar nicht einmal so wenig für eine so arme Familie, und die werden nicht in Leinenwäsche oder ein neues Kanapee investiert, sondern in Pflanzenpressen, Glashäfen, Spiritus und Papier. Das Paar zieht in ein altes Forsthaus, es ist ungemütlich, aber luftig und groß, und jeder Raum wird Teil der Werkstatt. Es gibt keine Wohnstube, es gibt nur Arbeitsräume. Tausende getrocknete Pflanzen liegen in den Regalen, Blüten, Stängel, Wurzeln, dazu mumifizierte Insekten und Mineralien, alles fein säuberlich geordnet und aufgereiht.

Im Sommer wird tagsüber gesammelt und abends getrocknet und gepresst und im Winter ordentlich auf Papier aufgezogen beschriftet. Amalies Eltern ziehen bei dem Paar ein und die Mutter macht den Haushalt. Amalie kann sich also voll und ganz darauf konzentrieren, die Assistentin ihres Mannes zu sein.

Er war womöglich ein guter Lehrer – ob er ein guter Mensch war, sei dahingestellt. Auf jeden Fall nutzt er ihren Aufopferungswillen aus. Beispielsweise trägt er nie selbst den Korb, in dem sie die Pflanzen nach Hause tragen, das lässt er immer sie machen, auch als sie die Wanderungen später ausweiten und teilweise wochenlang umherziehen, ohne nach Hause zurückzukehren. Das geht auch gut, zumindest solange sie noch kein Kind haben. 1848 wird die Tochter Charitas geboren. Der Vater ist enttäuscht, keinen Sohn zu haben, Amalie muss weiter arbeiten, wahrscheinlich will sie es auch. Hausfrau zu sein – und nun auch noch Mutter – hat sie nie gelernt, und ihre Mutter ist ja noch da, um sich zu kümmern. Also bleibt erst einmal alles beim Alten.

Finanziell sieht es nicht so gut aus. Die Herbarien, die sie erstellen, sind zwar sehr hochwertig, aber die Kundschaft, Universitätsprofessoren etwa, ist nicht sehr zahlungsfreudig. Es ist sehr schwer, angemessene Preise für die viele Arbeit zu erzielen. Es reicht also gerade so zum Leben. Vier Jahre später stirbt die Mutter und Amalie fühlt sich überfordert. Sie stellt ein junges Dienstmädchen ein. Nun kommt der Klassiker: Der Ehemann verliebt sich neu und verschwindet, angeblich um in Berlin Geld einzutreiben, das ihm zusteht. In Wahrheit trifft er sich mit dem Dienstmädchen.

Aus: Die Verteufelung der Amalie Dietrich von Ray Sumner.

Das ist eine große Krise in Amalies Leben. Sie hat das Gefühl, mit einem Mal völlig allein dazustehen. Sie besorgt sich einen Pass und reist mit ihrer Tochter nach Bukarest, wo ihr Bruder Karl lebt. Für die damalige Zeit eine Reise ans Ende der Welt. Ihr Bruder ist wie der Vater Lederwarenhersteller geworden und hat es damit weit gebracht, er ist recht wohlhabend. Doch das Leben in der Großstadt fällt Amalie schwer und mit ihrer hübschen auf Etikette bedachten Schwägerin, kommt sie nicht sonderlich gut zurecht. Sie lässt sich als Haushälterin bei einem sächsischen älteren Ehepaar in einem Karpatendorf anstellen und schätzt die Ruhe der Natur, die sie dort im Gegensatz zur Großstadt wieder genießen kann. Sie nimmt das Sammeln von Pflanzen wieder auf und schickt die Pflanzen zu ihrem Mann nach Siebenlehn. Nach einem Jahr kehrt sie nach Hause zurück.

Sie ist selbstbewusster geworden – doch es ist für sie keine Frage, dass sie nun wieder mit ihrem Mann zusammen arbeiten wird. Die Tochter müssen sie bei den ausgedehnteren Wanderungen, die sie nun unternehmen, teilweise sind sie vier bis fünf Monate am Stück unterwegs, in fremden Familien unterbringen. Sie sammeln Farne, Moose, Gräser, Giftpflanzen für Apotheken, Schulen, Universitäten und botanische Gärten. Da ihr der Tragekorb auf dem Rücken zu schwer wird, schafft Amalie einen Handwagen an, der von einem Hund, Hektor mit Namen, gezogen wird. Doch wenn es bergauf geht, zieht sie auch selbst.

Dann wird das alles ihrem Mann irgendwann zu anstrengend. Amalie Dietrich ist nun 36 Jahre alt und muss die Familie ernähren. Sie ist jetzt immer allein unterwegs, hat aber auch mehr Freiheiten und kommt in Kontakt und in Gespräche mit ihren Kunden, mit gebildeten Männern, die die Qualität ihrer Arbeit anerkennen. Sie redet mit Universitätsprofessoren, Lehrer, Apotheker – sie erfährt etwas über den Stand der wissenschaftlichen Forschung.

Dann soll die Sammlung ergänzt werden mit Algen und Seetang und sie soll, so der Wunsch ihres Mannes, an die holländische Küste wandern. In Harlem bei Den Haag bricht sie zusammen. Sie hat Typhus und überlebt die Krankheit kaum, liegt wochenlang im Spital. Als sie nach Hause zurückkehrt, ist ihr Mann nicht mehr da. Er hat sich als Hauslehrer anstellen lassen. Die Tochter hat er wiederum bei einer fremden Familie untergebracht.

Sie holt die Tochter zu sich und stellt gemeinsam mit ihr neue Herbarien zusammen, die sie zu Geld machen kann. Nun läuft es für sie ein bisschen besser, sie spart das Geld für eine Bahnfahrkarte nach Hamburg zusammen, wo sie ihre Moosherbarien verkaufen will. Sie wird weiterempfohlen an Cesar Godefffroy, einem Reeder und begeisterten Sammler naturkundlicher Materialien, der dabei ist ein naturkundliches Museum aufzubauen. Beim zweiten Anlauf empfängt er sie, beim ersten hat er sie noch abgewiesen, weil sie nun daran gedacht hat, sich Referenzen zu besorgen, die sie vorlegt. Und sie wird engagiert.

Die Firma Godeffroy ist ein bedeutender Name in Hamburg. Sie haben nicht nur die Reederei, sie verdienen ihr Geld mit Kohle, Eisen und Stahl, mit Überseehandel und Plantagen. Godeffroy wird «König der Südsee», aber auch «Raffzahn» genannt. Und wer Geschäfte in den Kolonien machte, war wahrlich nicht zimperlich. Ein wichtiges Handelsgut war das sogenannte Kopra, getrocknetes Kokosnussfleisch, das man zu Öl verarbeitete. Damals wurden in der Südsee ganze Landstriche gegen Gewehre oder Baumwollstoffe eingetauscht. Anschließend wurden die Ureinwohner auf den Plantagen angestellt, wo sie für einen Hungerlohn arbeiten mussten.

Ein weiteres Standbein von Godeffroy ist das Geschäft mit australischen Auswanderern. In Australien gab es damals reichlich Grund und Boden, aber zu wenig Arbeitskräfte, weshalb man dort billig Grund und Boden erwerben konnte. Zwischen 1855 und 1866 schafften 13 Godeffroy-Schiffe in 26 Fahrten mehr als elftausend deutsche Auswanderer nach Australien.
Die Kapitäne sind angewiesen, unbekannte Pflanzen und Tiere mit zurückzubringen – auf Speicherböden werden die Sachen aufbewahrt und sortiert und dafür auch extra jemand eingestellt, ein Präparator. Nachdem Amalie Dietrich also die Zusage für ihre Anstellung bekommen hat, muss sie noch ihre Fertigkeiten ein wenig ausweiten. Sie lernt, Vögel abzubalgen, mit dem Gewehr umzugehen, lernt Säugetiere und Fische auszunehmen und einzupökeln. Und dann reist sie mit naturkundlichen Büchern, Werkzeug und Materialien im Gepäck nach Australien. Immerhin bekommt sie eine erste Klasse Kabine zugewiesen. Wenn auch ihr Lohn, wie später Forscher herausgefunden haben, nur halb so hoch war, wie der eines Mannes, ist sie nun im Zenit angekommen. Sie hat die Anerkennung der wissenschaftlichen Welt erreicht.

Ihre Tochter kann sie freilich nicht mitnehmen. Sie schickt sie auf eine gute Schule, ein Institut, auf dem sie zur Kindergärtnerin nach der neuen Fröbel-Methode ausgebildet wird. Später verbringt die Tochter längere Zeit in London. Das Geld für die Tochter ist der größte Posten in Amalie Dietrichs Haushalt. Sie verdient 387 Taler im Jahr, das Schulgeld beträgt 150 Taler. Sie selbst gönnt sich so gut wie nichts für ihren persönlichen Komfort.

Amalie Dietrich
und ihre Tochter Charitas

Zehn Jahre bleibt Amalie Dietrich nun in Australien. Sie sammelt alles, was ihr unter die Finger kommt und bekommt auch konkrete Anweisungen aus Hamburg, etwa verschiedene Hölzer zu sammeln, «Probenblöcke», und auch genau, wie sie die Sachen verpacken soll und wie viele Exemplare jeweils gewünscht werden. Godeffroy stellt nämlich wiederum Sammlungen zusammen, die dann weiterverkauft werden.

Aus einer Anzeige:
«Neuholländische Pfanzen, gesammelt von Amalie Dietrich am Brisbane River Col. Queensland im Auftrage des Herren Joh. Ces. Godeffroy & Sohn in Hamburg … Es können Sammlungen bis ca. 350 Arten geliefert werden»

Es werden einige Pflanzen nach Amalie Dietrich benannt, beispielsweise eine Moosart, zwei Algenarten, eine Akazie, zwei Wespenarten.

Von Brisbane zieht sie weiter nach Norden, nach Gladstone. Wie sie dort gelebt hat, wissen wir kaum. Es gibt dazu nur die Schilderungen der Tochter, die in ihr Buch Briefe einbindet, die angeblich von der Mutter stammen sollen, es jedoch sehr wahrscheinlich nicht sind. Sie hat das Buch nach dem Tod der Mutter geschrieben und Forscher haben in den Briefen Zitate aus anderen Büchern wiedererkannt – und außerdem botanische Fehler festgestellt, die Amalie Dietrich wohl niemals unterlaufen wären.

Auch menschliche Skelette schickt sie nach Deutschland. Darwins (1809-1882) Evolutionstheorie ist auf dem Vormarsch und damit auch der Sozialdarwinismus. Man vermutet, dass die australischen Ureinwohner womöglich das Missing Link sein könnten zwischen den Menschenaffen und den Menschen. Godeffroy förderte diesen Zweig der Wissenschaft. In den australischen Briefen heißt es, sie habe bei den Erwachsenen die in den Baumwipfeln aufgebahrten Leichen stehlen müssen. Kinderleichen seien einfacher zu beschaffen, da sie in einen hohlen Baum gesteckt werden, der mit roter und weißer Farbe gestrichen wird.

Sie dringt immer weiter ins Outback vor, weit weg von jeder Zivilisation, bleibt an eine, Ort, an dem außer ihr nur drei Familien leben. Ihre Tochter schildert in ihrem Buch alle möglichen Abenteuer, von denen man aber nicht weiß, ob sie wahr sind. Ein abenteuerliches und entbehrungsreiches Leben war es aber ganz gewiss. Nach zehn Jahren, 1873, kommt sie wieder in Hamburg an und hat zwei selbst gezähmte Raubvögel im Gepäck, einen Keilschwanz und einen australischen Seeadler, als Geschenk für den Hamburger. Zoo Tochter Charitas holt sie ab.

Da saß am anderen Ende der Kajüte eine alte Frau mit gekrümmtem Rücken. Ihr pergamentartiges verwittertes Gesicht war von tausend Falten und Fältchen durchfurcht und wurde von dünnen weißen Scheiteln umrahmt. Ein dürftiges Röckchen und eine dunkle Kattunjacke umschließen die alternde Gestalt. An den Füßen trug sie alte graue Segeltuchschuhe, die vielfach Löcher zeigten. … Zwei Fremde standen sich gegenüber.

Aus: Charitas Bischoff, »Amalie Dietrich. Ein Leben«.

Die Sammlung Godeffroy ist nun ein Museum. Amalie Dietrich bekommt eine Anstellung und darf ihre Sammlung betreuen. Sie ist ein häufiger Gast an der Hamburger Universität, geht dort in die Vorlesungen. Doch sechs Jahre nach ihrer Rückkehr ist Godeffroy plötzlich pleite. Das Museum wird verkauft, die Sammlungen werden auseinandergerissen, vieles – zu vieles – ist noch nicht einmal erfasst und katalogisiert worden. Manche Pflanzen, die sie als erste entdeckt und beschrieben hat, werden später von anderen ein zweites Mal zum ersten Mal entdeckt und beschrieben. Vieles, was überlebt, weil es beispielsweise von der Stadt Hamburg oder von Leipzig aufgekauft wird, wird später im Krieg vernichtet. Nur die Herbarien bleiben wohl verschont und existieren bis heute.

Amalie Dietrich zieht in ein städtisches Altersheim um. Sie stirbt 1891 mit 70 Jahren, 18 Jahre nachdem sie aus Australien zurückgekehrt ist, und 12 Jahre, nachdem die Sammlung Godeffroy aufgelöst wurden.

Für diese Episode verwendete Literatur:

Renate Feyl. Der lautlose Aufbruch. Diana Verlag 2004

Amalie Dietrich (1821-1891) : German biologist in Australia : homage to Australia’s Bicentenary 1988, Stuttgart : Institut für Auslandsbeziehungen

Die Verteufelung der Amalie Dietrich von Ray Sumner

Amalie Dietrich. Ein Leben. Erzählt von Charitas Bischoff

Auf der empfehlenswerten Website fembio.org sind eine Menge weiterer Quellen zu finden

Bildquellen wenn nicht anders angegeben: siebenlehn.de. In Siebenlehn gibt es eine Amalie-Dietrich-Gedenkstätte.

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Die Britin Mary Leakey hatte nicht einmal einen Schulabschluss, aber wusste genau, was sie wollte: in Afrika nach Fossilien und Knochen suchen. Begleitet von ihrem Mann Louis Leakey wurde sie zu einer berühmten Paläoanthropologin und fand dort unter anderem den „Nussknackermenschen“ – den ältesten je gefundenen Vertreter der Hominini.

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Auf der Suche nach den Ursprüngen der Menschheit

Staub und Steine, Hitze bei Tag, Eiseskälte bei Nacht. Spinnen im Klo, Schlangen unter dem Dach, Geparden und Nashörner vor der Tür – und eines Abends schreit Baby Jonathan, als eine Horde Heeresameisen über ihn herfällt. Doch Afrika, genauer Kenia und Tansania, ist die Wahlheimat von Mary Leakey, und bei einem Besuch in London bekommt sie einmal fürchterliches Heimweh, als sie im Zoo einen Löwen brüllen hört.

Schon bald ist sie zurück in der Olduvai-Schlucht:

In a few more miles I was looking spellbound … at a view that has since come to mean more to me than any other in the world. As one comes over the shoulder of the volcanic highlands to start the steep descent, so suddenly one sees the Serengeti, the plains stretching away to the horizon like the sea, a green vastness in the rains, golden at other times of the year, fading to blue and grey. ... If it is the rainy season … the grass beside the road will be green and fresh and growing, and there will be many wild flowers. Some of the acacias, too, will have their sweet-smelling white blooms. Here and there, dark rain-storms gather as the day proceeds, but everywhere else shimmers in the hot, bright sunshine. … Olduvai Gorge itself can also be seen. … I shall never tire of that view, whether in the rains or the dry season, in the heat of the day or in the evening when one is driving down straight towards the sunset. It is always the same; and always different. Now, nearly half a century later, that view means to me that I am nearly home.

Mary Leakey: Disclosing The Past, S.55.
Olduvai Gorge

Immer dabei ist ihr Mann Louis Leakey, zumindest bis es zu einem großen Bruch kommt. Seine erste Frau hat er verlassen, als sie mit dem zweiten Kind schwanger war, und nach einer skandalösen Scheidung hat er Mary Leakey geheiratet. Er ist ein wahnsinnig charismatischer Mann, kann den Menschen Forschungsgelder aus den Rippen leiern, aber wohl leider auch die Finger nicht von anderen Frauen lassen.

Das sprichwörtliche Leakey-Glück

Doch Mary Leakey lässt sich dadurch nicht von ihrer größten Leidenschaft abbringen. Mit dem sprichwörtlichen Leakey Luck findet sie nicht nur den ersten Schädel eines Proconsul africanus, sondern auch Teile des sogenannten Nussknackermenschen. Bei einer Schlacht mit Elefantendung (wenn es keine Schneebälle gibt, muss man sich eben anders behelfen) stolpert sie regelrecht über prähistorische Fußabdrücke, die gleich nach einer lang vergangenen Regenzeit, aber kurz vor einem nahen Vulkanausbruch entstanden sein müssen.

Ein Proconsul-Schädel (Quelle: Wikipedia)

Was für ein Gefühl das wohl ist – die Erste zu sein, die nach über 3,5 Millionen Jahren die Fußabdrücke eines menschlichen Vorfahren entdeckt? Oder vor einer Wand mit Höhlenmalerei zu sitzen und mit Block und Stift auf dem Schoß eine solch entfernte Lebenswelt nachzuzeichnen, in der die Menschen miteinander getanzt und sich gestritten und Nashörnern bei der Kopulation zugesehen haben? Ganz wie heute … (Außer das mit den Nashörnern.)

Wenn ihr nach dieser Folge auch plötzlich den Drang habt, nach Afrika zu reisen, schreibt uns. Wir fahren gemeinsam!

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Quellen:
Mary Bowman-Kruhm: The Leakeys. A Biography. Greenwood, Westport 2005
Mary Leakey: Disclosing the Past. An Autobiography. Doubleday & Company, New York 1984
Virginia Morell: Ancestral Passions, The Leakey Family and The Quest For Humankind’s Beginnings, Simon & Schuster, New York 1995

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Podcast-Empfehlung: Ologies mit Alie Ward und Michael Habib über Dinosaurier

Leseempfehlung: Zwei bemerkenswerte Frauen von Tracy Chevalier

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Die Kinder- und Sozialpsychologin aus den USA beschäftigte sich mit den Auswirkungen von Rassismus und rassistischen Vorurteilen auf Kinder. Mit ihrem „Puppentest“ trug Mamie Phipps Clark dazu bei, dass vor Gericht eine Integration von bislang segregierten Kindergärten und Schulen vorangetrieben wurde.

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Mamies Kindheit war geprägt von der Rassentrennung in den Südstaaten, wo die Familie Phipps sich vor jedem längeren Ausflug oder dem Besuch eines Footballspiels ganz genau überlegen musste, wo sie etwas zu essen oder eine Toilette finden würde – denn alles war streng nach Schwarz und Weiß getrennt. Dennoch sagte sie später, sie habe eine glückliche Kindheit gehabt.

Wie Kinder auf ihre Umwelt reagieren

Das mag eine nachträgliche Verklärung sein, denn die Frage, wie Schwarze Kinder auf ihre tiefgreifend rassistische Umwelt der Zeit reagieren, hat sie ihr ganzes Leben umgetrieben. Sie studierte Psychologie und entwickelte in dieser Zeit den erwähnten Puppentest. In den 1940ern bis 1960ern startete sie gemeinsam mit ihrem Mann Kenneth Clark verschiedene Projekte zur Förderung unterprivilegierter Kinder. Gerade in Harlem war die Skepsis gegen ihren psychologischen Ansatz erst einmal groß, denn zu oft wurden Schwarze von den „weißen“ Behörden als geistig zurückgeblieben oder verrückt tituliert, nur weil ihnen jede Chance auf Bildung fehlte.

Doch Mamie Phipps Clark erarbeitete sich das Vertrauen ihrer Community, und ihr Northside Center for Child Development, das sie mit 936 Dollar ihres großzügigen Vaters startete, ist auch heute noch aktiv.

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Quellen:

Das erwähnte Transkript des Interviews findet man hier: Notable New Yorkers

Der Supreme-Court-Fall wird auf Wikipedia ausführlich beschrieben.

Außerdem Karera, Axelle und Alexandra Rutherford (2010/2017). Profil zu Mamie Phipps Clark. In A. Rutherford (Ed.), Psychology’s Feminist Voices Multimedia Internet Archive.

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Leseempfehlungen zum Thema Rassismus:

Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten, hanserblau 2019.
Tupoka Ogette: exit Racism, Unrast-Verlag 2019.

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Unsere Podcastempfehlungen der Woche:

HerStory von Jasmin Lörchner
Frauen von damals von Bianca Walther
History Chicks

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